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Aus »Idäisches Licht. Zweites Buch«. Gedichte 2006 Vers 13084 bis 13259 GROTTA PELOS In reineren Himmeln der Frühe, Verloren im Nebel auf je, Bewölkt nicht von Sorge und Mühe, Wuchs reinerer Sinn aus der See. Er dauert in alten Kulturen Wie Bernstein im rottenden Tang Und gibt sich dem späten Auguren Als großer Kykladen-Gesang. In Grotten gehegt und vergessen, Der Gnade wie Tantalus fern, Verbannt aus den Tempeln und Messen, Gestürzt und geschmäht wie der Stern, Der Liebe war, Taumeln und Rasen Und Zwielichts Gespiel Heliodrom, Bezeugt er die Weisheit der Nasen Als großes Kykladen-Arom. Gelaugtes Gestein, das zu nisten Nicht einlädt, doch jäh dich beschenkt, Der herkam verrufene Pisten Von Hügeln, wo Frevler gehenkt Im Salzwind zerfleddern, gewandelt Zur edelsten Brutstatt und Pfalz, Zum Reim, der sein Thema behandelt Als großes Kykladen-Gebalz. Gering denkst du all deine Opfer Im Aug, das verfügt, nach ihm wall Im Gleißen der Treiber und Tropfer, In Schlägen von kosmischem Hall, Wer selber kristallnen Gewandes Dem Habitus gleicht, der hier wächst Auf Gräbern des Steins und des Sandes Kykladisch als Buchstab und Text. Wie jene, die Blende und Schiefer Verzaubern, zu Züchtung und Zucht Entschlossene, wappne dich, liefer Dein Herzblut den Gnomen der Schlucht, Im Rhythmus der fallenden Wasser Erschein, zelebrier ihren Kult, Und huldige blind dem Verfasser Der großen Kykladen-Geduld. Die heimlich in Klippe und Kuppe, Verschwängert mit Kerbe und Keil, Die Metamorphose der Puppe Ersinnen als göttliches Heil – Sind Kronos, dem Quarze und Glimmer Nicht taugen, bevor er sich rächt, Unendliche Garde und immer Das große Kykladen-Gemächt. Verfüg dich dem Kern der Kristalle, Zu Phallen gereckt und gereiht Dem Zeitgott, der frei über alle Zeitläufte verfügt und die Zeit, Die Herbste von flüchtigen Sommern Laß ganz dem Kalender der Klamm Und fahr zu den Keimern und Kommern Als große Kyklade und Lamm. Was auch sich verding in der Grotte – Wer weiß, ob es Schleim oder Rahm? Wer weiß, ob der Hymnus dem Gotte Genugtuung gab oder nahm? Die frühesten seiner Adepten Vergruben die Macht, die sie ficht, In schlichtesten Kouros-Konzepten Als großes Kykladen-Gedicht. Wer weiß, ob einst wiedererwache Die Kunst und die frühe Musik, Die immer als Seinsgrund der Sache Den Opfergang nennt und den Krieg? Wer nur in den Formen zu forschen Versteht und im Stil nur die Norm, Hebt nie auch nur eine aus morschen Zur großen kykladischen Form. Von Fahrt und von Heimkehr berichten Die Stummen, ob Mensch, ob Natur Sie schuf, und sie wissen von Schichten, Drein Spaten und Schaufel nicht fuhr, Vom Kosmos, bevölkert von Kriegern, Vom Chaos, enthimmelt und hohl, Von Fallenden und von den Siegern Als großes Kykladen-Idol. Auf Naxos berückt dich die Mauer Auf hundert und gut fünfzig Fuß, Die dreitausend Jahr die Erbauer Nun ehrt und gediegen sein muß, Sie trägt flachen Steins die Terrasse Und stützt für die Gräber das Feld, Sie zeigt, daß des Lebenden Kasse Dem Ahn gehört, der ihn erhält. Gering sind dagegen die Reste Von Wohnung und Stall im Gebirg, Das Schilf und von Weiden die Äste Sind fort und des Grundsteins Gewirk Ist flach, denn im Schatten der Toten Verweilten die Pilger nur kurz, Hier hausten einst keine Zeloten Und wünschten den Göttern den Sturz. Die Steinplatten über Verstorbnen, Mit Reifen, Spriralen, Geblüm, Sie trotzen im Geister-Umworbnen Dem Tier und dem dreisten Getüm. Erst wir, die die Zartheit gewannen, Da Zorn mit der Tat uns entweicht, Erfahren, was jene ersannen, Wenn hell sie das Auge erreicht. Die Gaben in Schalen und Krügen Und Pfannen aus Marmor gereicht, Sind längst schon verbraucht, doch genügen Uns Spuren, wie einst man geeicht, Zu wissen, und was einst als Zierde Gezeichnet von trauernder Hand, Schafft uns, zu vergleichen, Begierde, Mit dem was man andernorts fand. Am stärksten berücken Figuren, Idole, wie Kreta sie barg, Bekannt sind die stummen und sturen Gestalten, die stilhaft und karg Den Menschen bekennen und schwanger Die Frau mit der werdenden Frucht, Sie spreizen den Arm auf dem Anger Und schlagen den Wolf in die Flucht. Kein Bilderverbot hat die Alten Gehindert, als Mitte des Alls Den Menschen zu sehn, zu gestalten Im Bann des Triumphs oder Falls. Was hier mit keramischen Scherben, Obsidianklinge, Metall Bezeugt wird, ist niemals das Sterben: Der Mensch ist das Kind, das den Ball Hinüberwirft über die Meere, An Schrecken und Raubtieren reich, Und festhält, was Würde und Ehre Gebieten, und niemanden gleich Dem Zeus übergibt und dem Hammer, Dem Blitz, der Geheimstes erhellt. So schaun wir, vergessen vom Jammer, Die goldene Zeit dieser Welt. Der Einklang von Wollen und Leiden Berührt das Titanengeschenk Des Geistes und Leibes, und beiden Den Sinn, daß des andern er denk, So wird uns der Hort, dem Gedächtnis Gewidmet und Hades geweiht, Zum Ansporn und auch zum Vermächtnis Und macht uns zur Traumtat bereit. Denn was dieser Traum von uns fordert, Ist mehr als ein Schlummer verträgt, Aus Schichten kykladisch geordert, Erfüllt er, erwagt und erwägt Im Herzen das doppelte Hoffen, Gesundung, Erkenntnis und Heil – Daß dies auch, die gleichsam verstoffen, Die Leiber und Geister, ereil. Der Dichter, der zwiespricht mit Ahnen, Verschuldet dem Urtod des Styx, Schreibt Mohn sich und Rausch auf die Fahnen Und stets statt Beryll den Onyx, Er spürt wie die stummen Idole Berücken mit tiefer Musik, Daß heim die Erzählung ihn hole Zu Ruhm und Bewährung im Krieg. Metalle und Hölzer und Tone – Sie waren schon vor der Zeit alt, Und keiner wird träumen, der ohne Die Stoffe erhofft die Gestalt, Wer stolz als des Weckrufs Erfasser Laugt Sterne aus göttlicher Sol, Verfügt sich nur strenger und krasser Dem alten Kykladenidol. Den Kouros zu schaun, zu beleben, Sei Sinn und Gebot dem sculpteur, Dann werden die Felsen zu beben Beginnen und finden Gehör Beim Herrn der idäischen Himmel Und fordern dort Recht und Zensur, Daß bald das Reptiliengewimmel Bestrahlt Grotta Pelos Kultur. |