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Aus »Idäisches Licht. Zweites Buch«. Gedichte 2006 Vers 12054 bis 12093 DER DISKOS VON PHAISTOS Wo, nach dem Doppelhorn des Ida strebend, Ein Traum sich hob und formte zum Palast, Der leicht wie jene, die vorüberschwebend Ihn ehrten, da sie gern und oft zu Gast, Wo Priester Kunst und Wissenschaften hegten In Schlössern, die nur der Geweihte bricht, Kam wie ein Schatz, dem wir im Traum begegnen, Handspannengroß das Labyrinth ans Licht. Die Scheibe, drein in doppelter Spirale Bildzeichen scharf und sparsam eingeprägt, Ist wie ein Spiegel, der dich tausend Male Daran gemahnt, wie kurz dein Geist dich trägt, Der Forscher, der Präludien seiner Reife Erwartet, wo sich früher Himmel spannt, Sieht im Gesetz von Faden, Spur und Schleife Nichts als den Kampf um Weib und Ackerland. Es führt kein Weg zum Heiligen vom Schlichten, Als bloßer Nimbus, Ritual und Macht, Kannst du die Zahl als Eigenheit gewichten, Daß sie vor einer Flut von Bildern wacht, Dann mag es dir ergehn wie dem, der Saiten Zu stimmen weiß, so wie das Ohr gestimmt, Im Gleichklang des Verschiedenen zu leiten Das Maß der Fülle, das sich gibt und nimmt. Die Alten, die den Wandel der Gestirne Im Wechselspiel zu aller Weisheit sahn, Sie beugten sich dem Gipfeleis der Firne Und hießen nichts gelöst und abgetan, Für sie war das Geheimnis Lohn der Mühe, Und Rätsel boten Heimlichkeit und Halt Im Spüren, daß der Geist im Raum der Frühe Verbürgt blieb in der menschlichen Gestalt. In ihrem Spiel sei deines Muts Verschwender, Begreif die Zeit als Stier, der deiner harrt, Denn löst du ihre Wirbel als Kalender, Erfüllt die Schale dich mit Gegenwart, Die durch das Labyrinth der Himmelszeichen Nur den zu Schrecken und Verderben führt, Der von der Harmonie in ihren Reichen Kein Gran in seinem dumpfen Herzen spürt. |