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Aus »Idäisches Licht. Zweites Buch«. Gedichte 2006 Vers 12094 bis 12197 EPIMENIDES Sucher nach Unschuld im Schatten Diktäischer Höhle, wo Zeus Blendungfrei augentrost-matten Farben beläßt sein Gehäus, Was sich die Otter im glatten Gleiten aus Netzen und Reus Raubt, ist ihm gleich, zu begatten Nymphen im Gold des Gebläus. Winters träumend, sommers sinnend, Fiel die Zeit und Herrschaft hin, Die, im Aufruhr sich beginnend, Strafte den Gedächtnis-Sinn, Im Exil die Mythen spinnend, Urgroßvater, steig und minn, Was die andern, blind verrinnend, Sahn, und Strategie gewinn. Der du deinen Geistverwandten Sprache, Blitz und Dreizack raubst Und zitierend mit Folianten Auch zugleich den Gott entstaubst, Sei gewiß, daß im Erkannten Du dir selbst den Weg erlaubst Und den Menschenmund-benannten Zeus allein als menschlich glaubst. Wer das Wort in seine Rechte Einsetzt und am rechten Ort, Stammt aus stolzestem Geschlechte, Pflanzt sich nicht mit Weibern fort, Daß der Erbe sein gedächte, Wenn der letzte Stamm verdorrt, Rief, der frech mit Knaben zechte, Auch den Gott zurück ins Wort. Wort, das anfangs war und wieder Anfang wird, wenn du die Schar Schwarzer Zeichen, starr und bieder, Weckst zum Geist, der sie gebar, Zeus im schützenden Gefieder, Für dein Aug des Schreckens bar, Nennt dich Ganymed und nieder Schwingt er sich und macht sich wahr. Einmal darfst du ihn erschauen, Doch wenn du nicht warten kannst, Wird der Nebel dir zum Grauen Und die Lust zum Schmerz im Wanst, Seinen Zeichen zu vertrauen, Bis du dich zur Schau ermannst, Kam er, um dich aufzutauen, Bis dein Leib als Lohe tanzt. Und du sagst: Wenn ihr doch wüßtet, Daß ihr mit dem Zeichen fallt, Weil, was uns nach euch gelüstet, Bleibt in euern Herzen kalt. Alle Freiheit, die dich rüstet, Macht zum Heil erst die Gestalt, Wer sich mit der Willkür brüstet, Macht vor keiner Willkür halt. Abgeschiedenheit zu üben, Deinen Sinn an Wurzeln eich, Drüben oft und manchmal hüben, Sei wie Wasser flink und weich, Laß dich nicht von Farben trüben Und verharr im Zwischenreich. Pilze recken sich in Schüben, Und der Geist tuts ihnen gleich. Wenn der Schattenfürstin Garten Dich begrüßt, sag lob und sing, Nur verlassene Standarten Künden, was das Los verhing. Wer betrügt, hat schlechte Karten, Daß der große Wurf geling. Du sollst Prüfungen erwarten, Bis du aussteigst aus dem Ring. Letzter des traumhin versunkenen Zeus der Kureten, Priester, geheim unter sinkenden Himmeln geweiht, Was aus der Vorsehung dich überhäuft mit Gebeten, Waltet im Heilen, vergißt es die achtlose Zeit. Wo sich dein Raten in Feldern des Ares verkehrte, Wählst du das Rätsel und steigst in das Höhlen-Exil, Schlaf, den die Nähe des Göttlichen innig begehrte, Kehrt wie ein Schatten im Wort und im geistigen Spiel Aller, die meinen, die Fessel der Seele im Spiegel Zu überwinden, daß Weisheit sie frei und erfreu. Im Paradox, das dich bannt wie olympische Siegel, Teilst du das Los der Titanen und bleibst ihnen treu. Was du erlesen hast, was du hinzufügst den Schriften, Bleibt dir allein, nur das wenige in deinem Grab Wird man benutzen, den Himmel des Zeus zu vergiften, Wartet das Feuer auf unechter Nachkommen Stab. Daß es wem fromme und daß es ermuntre den Weisen, Hast du zu hoffen und auch zu erflehn nicht gewagt, Nacht hat zu folgen wie Kupfer beerben wird Eisen, Und das Vergessen ist Antwort der Stimme, die sagt. Was aber Winden getrotzt hat und jeglichen Wettern, Wird unterm Zeichen der Fische im gnostischen Wahn Trunkene Meute in großer Empörung zerschmettern, Tönt auf den Wogen die Botschaft vom Tode des Pan. Spuren, die Liebende manchmal und unverhofft finden, Dauern im Schutt, bis die Stunde des Einklanges naht, Eh nicht die Götter die Augen vom Flore entbinden, Sei dir der Trauer und auch der Verzweiflung zu schad. Immerfort dichtet das All an der Weltengeschichte, Und die Gewichte verteilen sich anders und neu, Was dir erschienen, auf daß es dich ewig verpflichte, Wird auch erscheinen, daß wer deines Wortes sich freu. |