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Aus »Wiprecht von Groitzsch«.   Vers 71013 bis 71068

ERSTER AUFZUG. ERSTE SZENE


Judith, Ludmilla.

LUDMILLA: Es ist mir arg, die Herrin zu verdrießen,
Da sie verlangte heute nach Forellen,
Die Knechte, die da nicht ihr Leben ließen,
Berichteten von wüsten Mordgesellen.
Man mußt vom Bach, vom ganzen Fischen lassen,
Solang der Herr ist fort, sind unsre Kräfte
Zu lahm, bei so viel Feinden aufzupassen,
Drum leiden selbst gewöhnlichste Geschäfte.

JUDITH: Was ist das für ein Land, wo es zum Fischen
Braucht Ritter, Harnisch und gewaltge Rüste?
Kein Winkel, draus nicht Schlangenzungen zischen,
Kein Wölkchen, dran man man nicht verzagen müßte!
Kein Frieden, Mord und Totschlag alle Tage,
Dies ist kein Hausstand, keine Eh, kein Leben!
Was trieb mich her in die verhaßte Plage?
Mag erst der Tod mir die Erlösung geben?

LUDMILLA: Der hehrste Held, der lebt im ganzen Reiche,
Hat euch gefreit, euch selbst und Gott zur Ehre,
Daß seinem Arme alle Unbill weiche,
Zu zweifeln, niemand wage und begehre.

JUDITH: Wohlan, er ist ein Held von Gottes Gnaden,
Und liebt mich, daß mir manchmal etwas bange,
Jedoch ein Glück an einem Seidenfaden –
Wer hält das aus und überdies wie lange?
Ich bin es nicht gewohnt, im freien Felde
Das Wechsellos des Kriegsmanns zu erleiden.
Wer schützt, daß nicht der nächste Bote melde,
Zu Kaisers Treu durft er zu Christus scheiden?

LUDMILLA: Gedenkt der Prager wohlbewehrten Mauern!
Warn sie nicht grad ein Kerker eurem Sehnen?
Wo Freiheit leuchtet, stets Gefahren lauern,
Sie ist kein Ort, sich sanft zurückzulehnen.
Ein Land, das kaum befriedet und verwaltet,
Erwählt sich seinen Fürsten unter Tränen,
Eh Glanz, der im Jahrhundert nicht veraltet,
Euch aufzieht, gibts den Wechsel bei den Zähnen.
(Sie steigert das Pathos.)
Denkt daran, bis Rom zog euer stolzer Recke,
Er brachte euerm Vaterhaus die Krone.
Drum hadert nicht mit Gott und seinem Zwecke,
Er bürgte uns, daß sich das Bangen lohne.

JUDITH: Auch diese Burg kein Reiter kann bezwingen,
Ich fürchte nicht, daß man mich bald erschlüge.
Jedoch am Herzen würgen härne Schlingen,
Ich wüßte keinen, der sie leicht ertrüge.

LUDMILLA: Sorgt euch nicht um das Kriegsglück eures Gatten,
Er wards gewährt, den Erben zu besitzen,
Obgleich wir einen harten Winter hatten,
Die Sonnenstahlen aus dem Kinde blitzen.

JUDITH: Der Sohn allein verdoppelt mir die Sorge.
Wer schützt ihn, wenn der Vater wird erschlagen?
Meinst du, ein Adler sein Gefieder borge,
Das Kind nach Böhmen unversehrt zu tragen?

LUDMILLA: Der Tüchtige ist Gottes Beistand sicher,
Dazu kommt Kaisers Achtung und Vertrauen.
Nie konnte eine Mutter hoffentlicher
Auf ihr Geschlecht und seine Zukunft bauen. (Ab.)