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Aus »Götzenspiele. Tragödie«.   Vers 69150 bis 69229

ERSTER AUFZUG. ERSTE SZENE


Vor dem Vorhang treten nacheinander der Regisseur und die Schauspieler auf. Sie stehen mit maximalem Abstand mit medizinischen Masken.


Regisseur, Götz, Sickingen, Weißlingen, Elisabeth.

REGISSEUR: Wir proben heut am Götz zum letzten Male
Hier im Gebäude, dann per Skype geschaltet,
Der Lockdown wird nun ernst, weil hier im Saale
Sich die Gefahr inzwischen groß gestaltet.

WEISSLINGEN: So trüb die Aussicht, und wer weiß, wie lange –
Warum dann solche anspruchsvollen Werke?
Wir sind als Truppe viel zu klein, ich bange,
Wenn ich Konflikt in Dreifachrolln bemerke.

REGISSEUR: Besetzung gab sich hier von selbst, die Rollen,
Sind euch doch grad wie auf den Leib geschnitten,
Grundsatzdebatte mag ich nicht mehr wollen,
Um Disziplin und Fleiß hab ich zu bitten.

GÖTZ: Nur weil ich Götz heiß, bin ich nicht der Ritter.
Ich tu mir schwer, es streiten zwei Naturen
In meiner Brust, dem Optimismus Dritter
Bin ich so fremd wie den Gesundheitskuren.

ELISABETH: Du bist hier der Rebell, der aufbegehrend
Infragestellt, was andre kaum bemerken.

GÖTZ: Doch Goethes Text, mich manche Falle lehrend,
Zeigt den Charakter nicht nur in den Werken.
Der Götz vertraut auf Rechte, überkommen,
Von seinen Gegnern werden die mißachtet,
Das Mittelalter, auf den Hund gekommen,
Sein eignes Grab mit sehr viel Mühe schachtet.

WEISSLINGEN: Dem Mittelalter bist du sehr gewogen,
Drum scheint mirs gar nicht falsch, daß du sein Hüter.

GÖTZ: Doch ehr als Minner, nicht auf Schwertes Wogen,
Was mir am Herzen liegt, sind andre Güter.

REGISSEUR: So geht es nicht voran, Bedenklichkeiten,
Wohin man schaut, ja Kleinmut, Scheu und Zweifel,
Ich sehne mich zurück nach Pfälzer Zeiten,
Als ich noch inszenierte in der Eifel.
Ich darf vielleicht noch einmal kurz erwähnen,
In Erfurt heißts nicht: Armer schwarzer Kater,
Und bringen wir das Publikum zum Gähnen,
Steht ein Museum bald, wo noch Theater.

SICKINGEN: Die Firmenleitung bot mir an mein Vater,
Doch Mittun nur um Geld erschien mir schnöde,
Ich wollte leidenschaftlich zum Theater,
Inzwischen scheints mir nutzlos und auch öde.
Ich denk nicht dran, die Skyperei zu buchen,
Ehr kehr ich als verlorner Sohn nach Hause,
Nun ists an euch, Ersatz für mich zu suchen,
Daß in Heilbronn der Götz nicht ewig hause. (Ab.)

GÖTZ: Da geht der Freund. Berechtigt ist die Klage!
Man kann kaum sprechen mit dem blöden Lappen,
Und wenn ich dies hier nicht noch lauter sage,
Dann bloß, weils mühvoll, dabei Luft zu schnappen.

REGISSEUR: Maskierung wär tabu, wenn jeder Spieler
Homeoffice übte, aber unser einer
Nutzt öffentlichen Ort zur Plage vieler,
Drum sei befreit von Maskenpflicht hier keiner.
Seid doch, Kollegen, etwas solidarisch
Und trennt euch von der Elfenbein-Etage,
Für uns ist Sturm und Drang nicht literarisch,
Für uns heißt das Gebot Zivilcourage.

GÖTZ: Zum Götzenwort sind wir noch nicht im Akte,
Doch kaum gelingts, den Ruf noch aufzuschieben.
(reißt sich die Maske vom Gesicht)
Die Mimik liebt bekanntlich nur das Nackte,
Ich üb im Wald, ihr wißt wo, meine Lieben! (Ab.)

ELISABETH (jetzt auch ohne Maske):
Es ist ja auch ein Witz, das wir verspiegelt
So tun, als wärs ein spielendes Begegnen,
Dabei sind unsere Münder eingeigelt,
Ich spann den Schirm auch ohne jedes Regnen. (Ab.)

REGISSEUR: So wie die Stimmung heute aufgeladen,
Scheints besser, diese Probe abzubrechen,
Für alle hier wärs ganz gewiß kein Schaden,
Den Job beim Therapeuten zu besprechen.
Vielleicht ist Wald auch förderlich dem ganzen,
Wir sehn uns dann nach etwas Fortschritt später.
Doch wenn ihr übt, verringert die Distanzen
Nie unter hundertfünfzig Zentimeter. (Ab.)

WEISSLINGEN: Es geht sich leicht vom Pixelbild des Schirmes,
Viel leichter als von dem realen Posten,
Das Leben als Buffet mit Krieg und Kirmes,
Man darf und soll wie beim Konditor kosten.
Die Online-Tour wird den Zerfall befeuern,
Der Sickinger – ja toll, frisch von der Leber,
Die Frist ist schmal, die Sache zu erneuern,
Erwogen sei ein neuer Arbeitgeber. (Ab.)