|
Aus »Götzenspiele. Tragödie«. Vers 70550 bis 70602 FÜNFTER AUFZUG. ERSTE SZENE Vor dem Vorhang. Elisabeth, Weißlingen. ELISABETH: Was treibt dich ins Theater noch, ich hörte, Viel besser sei dein neuer Arbeitgeber? WEISSLINGEN: Die Zeit ist mir dahin, die mich empörte, Denn nicht mehr lange macht es meine Leber. Drum kommen wir zur Sache. Götz zu suchen Hab ich nicht mehr Gelegenheit und Muße, Ich bitt dich, bitt ihn, nicht auf mich zu fluchen, Ich bin gerichtet und bereit zur Buße. ELISABETH: Was ficht dich an? WEISSLINGEN: Ich ward geboostert heute. ELISABETH: Gesünder wird da keiner, aber tödlich Ist übertrieben. Sterben rings die Leute? Doch dein Gesicht scheint ungesund mir rötlich. WEISSLINGEN: Ich weiß bescheid, es gibt verschiedne Chargen, Von harmlos über mittel bis verheerend, Ich weiß, man gab mir heute von dem Argen Die Dosis, die für jeden Henker ehrend. Kaum spürte ich im Arm das heiße Brennen, Erfuhr ich, daß die Huld, die mir gewogen, Als würde sie den Toren gar nicht kennen, Ohn Abschied ist nach Bremen fortgezogen. Wenn man für jede Revision die Akte So jäh verschließt, beseitigt man die Zeugen, Mir bleibt nur das Entsetzen, nur das nackte, Doch muß ich mich dem Urteil völlig beugen. Das Gift wirkt weiter, ich muß langsam sprechen, Kein Doktor kann es aus den Adern pumpen, Ich werde bald vor dir zusammenbrechen, Das Blut verdickt allmählich sich zum Klumpen. ELISABETH: Du phantasierst. Beruhige das Bangen! WEISSLINGEN: Ich bitte nur, dem Götzen es vertraue. ELISABETH: Ich sah ihn nicht im ganzen Jahr, im langen, Doch werd ich sagen, wenn ich ihn mal schaue. WEISSLINGEN: Das ist so wenig. Du mußt gleich ihn suchen, Daß er erfahr, daß ich so tief bereue, Was ich ihm tat. Er soll mich nicht verfluchen, Vergebung zu erbitten, ich mich scheue. Ich sterbe, und mein Testamentsvollstrecker Bist du, bedenk, auch du wirst einmal sterben, Bald fällt der Schnee auf Straßen und auf Äcker, Die Welt, die wir gewohnt sind, fällt in Scherben. (Er stürzt durch den Vorhang ins Dunkle.) ELISABETH: Zu Hilfe! Helft, ein Mann stürzt in die Tiefe! Ja, ist denn keiner da? Sind wir verlassen? (Sie tritt an den Bühnenrand, zum Publikum): Der Text des Stücks verschwindet im Archive, Sein Sie getrost, was abgrundtief zu hassen, Kann Zwirn und Abendkleid nicht unterhalten, Drum ist Zensur die Mildheit unsrer Tage, Man sagt, das Stück kann die Gesellschaft spalten Und stellt am Ende gar den Staat infrage. Doch weil wir wissen, unsrer ist der beste Der jemals hat geherrscht auf deutschem Boden, Gibt es auf unserm besten Bühnenfeste Nur Merkel-Hymnen oder Ampel-Oden. (Ab.) |