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Aus »Hermann Sterl. Ekloge«.   Vers 68090 bis 68153

ZWEITER AUFZUG. ERSTE SZENE


Ein vollkommen abgebranntes Gehöft, hie und da noch Rauch von glimmenden Holzresten. Eine Stalltür ist nahezu unversehrt, sie bewegt sich im Wind und gibt mitunter Laute von sich. Daneben eine umgestürzte Regentonne. Im Vordergrund Sterl auf einem Feldstein, eine Tasse mit Tee und ein Laib Brot liegen unberührt. Er hat rußgeschwärzte Wangen und Hände, die Kleidung hie und da versengt. Er scheint angestrengt zu lauschen.


Sterl.

STERL: Es kommt nichts, niemand, immer nur Dämonen,
Ich hör was und ich werd wohl mählich irre,
Ich sag mir, die Bilanz wird sich nicht lohnen,
Ich hab kein Pferd, daß ich den Wagen schirre,
Ich geh im Kreis ums Grab für die Gelenke,
Den Fetzen Haut und die verschmorten Haare,
Ich bin so frei, es lohnt nicht, daß man henke
Den Müden ohne Heimat, Hof und Ware.
(Er lacht bitter. Pause.)
Warum bin zu feig mich totzustürzen,
Wo alles ist verpfuscht und überwunden?
Vernunft verlangt, die Qualen abzukürzen,
Und was mir noch gegeben ist an Stunden,
Sie sprechen Reu nach frevlerischem Wollen,
Vom Hochmut, der den Fall herbeigezogen.
Der Herr sprach klar, es hat nicht reifen sollen,
Der Traum, die Müh, wie haben sie gelogen!
(Er schweigt. Ein Windstoß schlägt die Tür auf und zu.)
Was für ein Bild! Was für ein Hohngehabe!
Der Eingang mit dem Ausgang steht beisammen,
Das Windgeplänkel wird wohl noch im Grabe
Dem Elenden die Todesruh zerschrammen.
(Erneutes Türenschlagen)
Das Regenfaß, es reichte, diese Pforte
Hinlänglich mit dem kalten Naß zu tränken,
So blieb die Tür an dem zerstörten Orte,
Sich mystisch in Scharniere zu versenken!
Als Dichter wär ich auf der beßren Seite,
Es gäb kein Unglück, das das Brot mir raubte,
Ich schriebe noch mit dem verkohlten Scheite
Der Flamme Dank, die dieses Schwarz erlaubte!
Ja, überhaupt, die Welt und ihre Wege
Wärn höllisch viel vorzüglicher zu reimen,
Es stünde nicht bei mir in Amt und Pflege,
Das ganz und gar Zerstörte heil zu leimen.
Ja sicher, Klag und Trümmer zu vergolden,
Vermag die Sprache ehr als flinke Hände,
Die Käfer auf dem Baumstumpf stehn im Holden,
Der Trauermantel spricht die reifre Sende.
Die Bienen schwärmen aus, beim Löwenzahne
Vergesse ich des Teufels Narreteien,
Der Punkt auf dem Marienkäfer mahne
Das Herz, ihm alle Ewigkeit zu leihen.
Die Elegien des Chorus schätzt der Russe,
Die Frau vertraut dem Dichter als dem Geiste,
Und niemand argwöhnt bei dem Überflusse,
Erstunken und erlogen sei das meiste.
(Macht eine wegwerfende Bewegung. Schweigt wieder. Die Tür macht sich erneut bemerkbar.)
Die Tür, jawohl, ja, alles hat zwei Seiten,
Vergangenheit und Zukunft stehn beisammen.
Dreh dich nicht um, sagt der Befehl zu schreiten,
Denn hinter dir wohnt nichts als Glut und Flammen.
Ich hatte Ziegen, Hühner, Hasen, Schafe,
Die Ernte ließ mich einen Traktor kaufen,
Ein warmes Heim bewohnte ich im Schlafe,
Und feste Rinnen wachten an den Traufen.
Die Kinder wuchsen, und mein Herzblut lachte
Am Ofen mit dem Kraut und mit den Rüben,
Mit reicher Ernte, die der Herr uns machte,
Wuchs das Vertrauen grad in Jahresschüben.
Dann kam die Nacht, der Tag, der aussichtslose,
Der ganz verlorne Kampf mit Wind und Asche,
Und was mir blieb, paßt ganz in meine Hose
Und füllt nicht einmal bis zum Rand die Tasche.
Ich kann ein bißchen jammern oder schwätzen,
Kann in die Luft starrn oder einfach schweigen,
Doch mit der Zeit wird fad selbst das Entsetzen,
Ich bin so leer, so leer wie all mein Eigen.