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Aus »Hermann Sterl. Ekloge«.   Vers 68154 bis 68241

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Sterl, Alienor.

ALIENOR: Gerechter Gott! Du lebst! Es sei gepriesen
Der Heiland, der dich aus den Flammen führte,
Verfehlt der Schlag, gebannt der Fluch der Miesen,
Ich glaubt es kaum, auch wenn ichs innigst spürte.

STERL: Was ist zu loben, wo ein blinder Köter
Die Wunden leckt von seinem Aufbegehren?
Für solch ein Wrack bemüht man keinen Töter,
Man könnte da sogar den Strick entehren.
Du nennst es fromm, doch ich bin nichts als feige,
Sonst hätte meine Sterblichkeit die Lohe,
Von Glaub und Liebe, von der Hoffnung schweige,
Unwiderruflich ging dahin der Frohe.

ALIENOR: Des Feindes Wüten, Hinterlist und Feuer –
Wir dürfen an der Freiheit nicht verzagen,
Die zweite Runde wird das Ungeheuer
Mit deiner Kraft und deinem Glauben schlagen.

STERL: Dies war die zweite Runde schon, mein Kleines!
Die erste hab in Moskau ich verloren,
Und im Geschehn erkenne ich nur eines:
Mein Hochmut hat die Wünsche mir geboren.
Ich sollte wie die andern guten Christen
Die U-Bahn fahrn und dann am Arbeitsamte
Geduldig meine Lebensstunden fristen,
Und alles andre sei mir das Verdammte.
Ich sollte glauben, daß es doch das beste,
Zu wärmen sich in schweigender Kolonne,
Zu Ostern und zur Weihnacht gibt es Feste,
Dann muß der Müll auch in die rechte Tonne,
Die Treppe sei gebohnert und die Strümpfe
Gestopft und gut das Wort zu hohen Herren,
Ein andres Denken führt dich in die Sümpfe
Und muß dir auch das kleinste Glück versperren.

ALIENOR: Was immer sei, es könnte nichts erschüttern:
Du wirst dich lebend niemals wirklich beugen,
Mußt du uns auch mit Bucheneckern füttern,
Dein Aug wird deine Herrlichkeit bezeugen.
Denn alle Muskeln, die sich spannen, lösen,
Arterien, die mit hellem Blut sich füllen,
Sie wehren sich der Schleimerei des Bösen,
Und würden jeden Pakt mit ihm zerknüllen.
Der Schöpfer gab den Freisinn jeder Zelle,
Wenn Feuer sie nicht ganz und gar veraschte,
So schauen sie mit Gottvertraun ins Helle,
Nicht nach dem Trog, daran die Fliege naschte.

STERL: Du bist verliebt, drum frommen dir die Bilder,
Von Größe, Heil und Mut vor Fürstenthronen,
Doch ich erkenn, bevor ich ganz verwilder,
Daß sich die großen Worte gar nicht lohnen.
Es ist nicht nur der Hof, das Vieh, die Ställe,
Es ist hier ein Entwurf verbrannt, ein Glaube,
Mein Herz ist kalt und ohne Blut für Fälle,
Daß es vom Himmel wie Prometheus raube.
Die Glut der Augen ist so sehr erloschen
Wie dieser Brand, der alles schlang und raffte.
Aus diesem Stroh kein Weizen wird gedroschen,
Und niemand näht die Wunde, die da klaffte.
Wir müssen einfach lernen zu bescheiden
Die Wünsche in das Maß des allgemeinen,
Dann wird vielleicht ein kleines Glück uns beiden,
Und auch die Kinder müssen nicht mehr weinen.

ALIENOR: Die Kinder sind von tiefem Stolz getragen,
Daß man den Vater hat so angegriffen,
Sie fürchten nicht, es gehe an den Kragen,
Denn nur die Ratten springen aus den Schiffen.
Sie wissen, daß dem wahren Heil der Vater
Wohl auf der Spur sich mühte, rang und baute,
Des Feindes Toben nennen sie Theater
Für jeden, der das wahre Glück erschaute.

STERL: Das wird sich legen wie die helle Lohe,
Ich hab dem Pathos gänzlich abgeschworen,
Ich fühlte mich damit im Affenzooe,
Denn ich hab alles, wie gesagt, verloren.
Unbillig ists, dem Strauchelnden zu sagen,
Er sei moralisch auf der rechten Seite,
Ich werd mich nur noch im Erlaubten plagen,
Der Aufruhr ist verglommen mit dem Scheite.

ALIENOR: So enden wir den Streit. Die Abendkühle
Läßt frösteln und ich hab noch manche Meile,
So komm mit mir, daß ich dich bei uns fühle
Und Ruh und Lager mit dem Gatten teile.

STERL: Ich werd nicht gehn, solang die heile Pforte
Nicht aus den Angeln springt um umzufallen,
Ich sehne mich nach keinem andern Orte,
Denn ich will ohne Ohrenzeugen lallen.

ALIENOR: So hol ich uns ein Zelt auf diese Rode,
Daß wir zur Nacht nicht jämmerlich erfrieren,
Als ich Studentin, war der Stoff in Mode,
Jetzt soll er hier das Brandszenarium zieren. (Ab.)