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Aus »Hermann Sterl. Ekloge«.   Vers 68242 bis 68362

ZWEITER AUFZUG. DRITTE SZENE


Sterl, Arsenios.

STERL: Wie bin ich selbstisch doch in meinem Jammer,
Ich fragte nicht einmal, wo sie geblieben.
Verbrannt sind Diele, Korridor und Kammer –
In welchen Stuben hausen meine Lieben?
Wer nahm sie auf? Wie heißt der Samariter?
Mein Herzblatt sprach mir nicht von ihrem Kummer,
Was bin ich für ein rabenschwarzer Ritter,
Daß ich die Sorg um Weib und Kind verschlummer?
Ich sinne über Türen und Rebellen,
Gesellschaft, Akzeptanz und wäg Entwürfe,
Als würd ich wie der Hund dem Monde bellen,
Benehm ich mich, wenn ich die Trauer schlürfe.
Nun ist sie fort. Ich werde nichts erfahren.
Grad Balsam wärn dem Wunden scharfe Schelte,
Ich bin so stumpf im Herz wie in den Haaren
Und meine Lenden kümmert nicht die Kälte.
Will ich erfriern, ein Kind, das bockt alleine?
Den Reif vom Kopf mir kratzen bald am Morgen?
Ich sitze wie ein Narr auf diesem Steine
Und dabei gibts doch so viel zu besorgen.
Wer lehrt die Kinder Rechnen und Geschichte?
Die Ziegen sind davon wie auch die Hasen,
Die Schafe hat der Pope aufgenommen,
Die Hühner, die auf auf ihrer Stange saßen,
Sind mit dem Dachstuhl ohne Klag verglommen.
Das Feuer, ja, es ließ mich tun und rennen,
Nun aber sind mir alle Glieder bleiern.
Es ist vollbracht. Hier gibts kein Holz zu brennen,
Nur Wind, die letzte Stalltür auszuleiern.

ARSENIOS (tritt auf):
O Vater, sei nicht bös, daß ich die Stunde,
Da mich der Mutter Aug nicht gut bewachte,
Genutzt, mit Mut die eingepferchte Runde
Zu lassen, und mich auf die Reise machte.
Seit du uns grollend zuriefst fortzulaufen,
Wo ringsumher die Balken niederkrachten,
Gabs keinen Stuhl, im Hetzen zu verschnaufen,
Weil wir nur immer an den Vater dachten.

STERL: Mein Junge, sieh, es gab hier nichts zu retten,
Ganz nutzlos war mein Ringen und mein Toben,
Doch glaub mir, was wir haben, sind nur Ketten,
Die uns behindern, Gott allein zu loben.

ARSENIOS: Ich glaub nicht, daß das gelbe Harz der Birken,
Das Knistern im Kamin, die warmen Decken
Uns hinderten, im Sinn des Herrn zu wirken,
Und daß es falsch, die Hände auszustrecken.

STERL: Der Saiten sind heut andere zu zupfen,
Und Gottes Ratschluß kam uns ganz abhanden.
Doch sag: wo fandet ihr ein Unterschlupfen?
Wie hat Pelagia all das überstanden?

ARSENIOS: Wir hausen hinterm Berg beim Schrankenwärter,
Die Mutter stürzte, und die alten Leute,
Sie sagten: Bleibt, eh ihr geprüft noch härter,
Und offen steh das winzge Haus noch heute.
Pelagia ist zur Uni fortgefahren,
Zum Bahnhof brachten sie mit der Draisine
Zwei Männer, und der Wind in ihren Haaren
War so gewaltig wie die Zornesmiene.

STERL (lächelt kurz, dann düster):
Mein Töchterchen, fast eine Amazone,
Ein Bräutigam muß bald den Wildfang binden,
Sie war auf unserm Hof die Anemone,
Die Großstadtwetter dürfen sie nicht schinden.
Ich muß sie wieder mit dem Auto fahren,
Der Tank war voll und diente gar als Zunder,
Daß alle wir beim Wasserschöpfen waren
Und keiner starb, das ist das reinste Wunder.
Als wir am Haupthaus löschten, stand der Schuppen
Recht abseits, und wer ahnte denn die Böe,
Die ließ die Flammen tanzen wie die Puppen,
Das Stalldach flog mit Krachen in die Höhe.

ARSENIOS: Du sagtest oft, daß deinem Unterrichten
Von Formeln, Theorien und Bauexempeln,
Könnt bald auf eine Praxis nicht verzichten,
Denn Gott verlangt nicht nach papiernen Tempeln.
Nun ist es Zeit, daß Brüder im Vereine
Gelerntes tüchtig in die Landschaft setzen,
In Rußland gibts der Roden nicht nur eine,
Und guter Mut gewinnt auf allen Plätzen.

STERL: Ich seh in dir die eigne Jugend pochen
Auf Recht und Neuland und die Gründertaten,
Doch ewig läßt kein Herz sich unterjochen,
Ich glaube meins hat dieses Ziel verraten.
Ich bin nun alt und steh vorm Aschehaufen,
Zur Demut scheints mir Gottes Wink und Weiser,
Aufsässig bin ich einer Stadt entlaufen,
Darin ich mich beworben hab als Kaiser.

ARSENIOS: Du willst nicht mehr die eigne Wirtschaft führen?
Wie solln wir leben ohne Gottes Segen?
Als Hiob sah den Herrn die Plagen küren,
Wars ihm nur Grund, sich rascher zu bewegen.

STERL: So frech du bist, der Widerspruch Methode
Beweist, hör ich den Sterl, der mir gestorben.
Wohlan, so stich aus diesem Fleck die Sode,
So siehst du, was des Vaters Müh erworben.
(Er lacht bitter.)

ARSENIOS: Es gibt in Rußland Bäume, ungezählte,
Draus Häuser, Ställe, Weidezaun zu bauen,
Wer fern vom Plebs sich seinen Flecken wählte,
Erringt die Erde bald und ihr Vertrauen.

STERL: Sprich nicht vom Plebs, denk, daß wir Asylanten
Bei einem Diener, einem Bahnbeamten,
Die Siedler, die einst Erde traulich nannten,
Gewiß von einem beßren Holze stammten.

ARSENIOS: So dacht ich doch, daß Jesus uns zum Vater
Den Himmel machte, wie wir auch geboren.
Ist denn nicht frei, wer ganz vertraut dem Rater
Und sich mit Selbstzucht ausbedingt die Sporen?

STERL: Es sei wies sei. Mir ist nicht recht zumute
Zum theologisch Disputiern und Streiten,
Ich bin recht müd, doch scheint es mir das Gute,
Mit einem schwarzen Rappen fortzureiten.
Fort, fort nur fort! und ganz aus der Geschichte,
Wir trinken Lethe aus dem Wodkaglase,
Wir reiten, und die Spur der Wind vernichte,
Auf daß kein Igel nenn mich lahmer Hase.

ARSENIOS: So komm mit mir und zeig dich allen andern,
Was wir auch tun, hier ist nichts zu erwarten,
Es sind ja nur zwei Stündchen hinzuwandern,
Dann grüßt das Haus in einem kleinen Garten.

STERL: Geh hin! Die Mutter bringt das Zelt uns zweien,
Wir werden eine Nacht am Brandplatz wachen,
Die letzte Pforte läßt den Windstoß schreien,
Mit bleibt es noch, das Licht hier auszumachen.
(Arsenios geht ab.)