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Aus »Hermann Sterl. Ekloge«.   Vers 68363 bis 68490

ZWEITER AUFZUG. VIERTE SZENE


Sterl, Landarzt.

STERL: Was seh ich dort, ja, eine Menschenseele,
Ein Mann zu Rad tritt straff in die Pedale,
Es gibt kein Mittel, daß ich ihm verhehle,
Daß diese Landschaft ward die gänzlich kahle.

LANDARZT: Gelobt sei Gott! Zum Vesper nichts als Trübe,
Ich hörte schon im Dorfe von dem Schrecken,
Doch wahrlich, wie man auch die Augen hübe,
Es bleibt dem Trost kein Restchen zu entdecken.

STERL: Seid Ihr denn nicht mehr bös, weil immer wieder
Ich Euch den Korb gab, Impfung und so weiter,
Manch scharfes Wort fiel einst gewitternd nieder,
Als meine Tage waren hell und heiter.

LANDARZT: O nein, ich war Euch übel nie gesonnen,
Ich hadre selber oft mit Zweck und Mitteln,
Eur schöne Frau ist ja ein Wunderbronnen,
Da gibt es für den Doktor nichts zu kritteln.

STERL: Wenn grad der Doktor in der Näh, ich nutzte
Gern Medizin, um das Gemüt zu glätten,
Nicht daß es mir zu arg die Flügel stutzte,
Doch ohne Einklang bin ich nicht zu retten.

LANDARZT: Der Wald hat viel, was Eurem Wunsche diente,
Allein dem Arzt ist alles streng verboten,
Was des Gemüts gebrochnen Knochen schiente,
Er darfs allein bei nahezu schon Toten.

STERL: Was sind das für verdorbene Gesetze,
Die den Erwachsenen zum Lügen zwingen,
Ich wußte nichts von einer Kräuterhetze
Und hab mich nie befaßt mit solchen Dingen.

LANDARZT: In Pilzen, Schattenblühern und in Winden
Gibts Stoffe, die man einst für Rituale
Hat ausgenutzt, im Traum das Heil zu finden,
Der Chemikus fand leuchtende und fahle.
In Deutschland, eh der Weltkrieg ward gehalten,
Erstritt man im Labor in bester Güte
Substanz, die Seel zu heben und zu falten,
Darum sich einst das Kräuterweiblein mühte.
Doch was ein Segen sein sollt dem Erkennen,
Ward transatlantisch bald zur trübsten Mode,
Nicht um am Rand des Göttlichen zu brennen
Als Pyramide, Tempel, Dom, Pagode,
Rein als Vergnüglichkeit und als Marotte
Probierte man, was brennend oder mehlig,
Und machte dann den Stoff zu seinem Gotte
Als progressiv und total psychedelisch.
Die Inka kauten Koka und erbauten
Paläste, und das Schwert der Sarazenen
Gefürchtet war, obgleich Pupillen schauten,
Die sich erneut zum Haschischrauche sehnen.
Die Maya und am Baikal die Schamanen,
Bemühten unsrer Birke roten Ritter,
Um aus dem Traumreich Weisheit abzusahnen,
Wo unsre Mühe fand nur kleinste Splitter.
Der Massenwahn profant die Pflanzenbasen,
Und schafft den Schlenderern und ganz Verkrachten
Die Orgie und ein dionysisch Rasen,
Aus dem sie niemals unbetäubt erwachten.
Unmündige, nur drauf bedacht zu dämmern,
Veranlaßten die Staaten zu Gesetzen,
Mit denen sie auf Moleküle hämmern,
Die den gewohnten Ordnungssinn verletzen.
Das Heroin, das Englands Bergarbeiter
Einst nahmen, wenn das echte Bier zu teuer,
Klomm manche Sprossen der Gefahrenleiter,
Als jeder Apotheker warfs ins Feuer.
Es stieg der Preis geschmuggelter Produkte,
Daß man es nicht mehr aufaß sondern spritzte,
Und währends harmlos wirkte, da mans schluckte
Sich die Gewalt nun astronomisch spitzte.
Bald lagen Tote in der Parktoilette,
Man schärfte die Gesetze und Kontrollen,
Nicht sehend, daß allein das Mittel rette,
Der Macht entsagen um das Seelenwollen.
Inzwischen sind Geheimdienst und Beamte
So tief verstrickt ins Großgeschäft der Pillen,
Daß keiner, dessen Geld von daher stammte,
Ist Plänen zur Entstaatlichung zu willen.

STERL: Ihr bindet Dinge, die mir weltfern schienen,
Ich will das alles gründlicher bedenken,
Doch wills mir nicht als rechte Leitschnur dienen,
Der Jugend die Dämonenkraft zu schenken.

LANDARZT: Natürlich ist verfahrn die ganze Lage,
Das Ende des Verbots bannt nicht die Süchte,
Nur wär ein andrer Umgang mit der Plage
Ein erster Schritt für dauerhafte Früchte.
Das Eingeständnis wäre zu begrüßen,
Daß Sucht nicht kommt von teuflischen Substanzen,
Sie kommt von den Versprechungen, den süßen,
Die nicht nur stehn bei Pilzen oder Pflanzen.
Die Politik moderner Staaten gründet
Auf Lüge und auf törichter Verschwendung,
Daß alles dies in ein Verderben mündet,
Wird abgetan als Mißmut oder Blendung.
Man predigt, daß der Jugend was gehöre,
Und man verknappt, was Jugend braucht zum Reifen,
Den Leistungswillen killt, daß man betöre
Die Urteilskraft und läßt die Zügel schleifen.
Die Waffen, die auf Drogenwuchs und Handel
Gerichtet, träfen besser das Verfallen
Der Ziele und der Hoffnungen auf Wandel,
Dann bräuchten wir ein Minimum von allen.

STERL: Nun gut, ich weiß genug und will nicht klagen,
Daß Euchs verwehrt, dem Wunsche zu entsprechen,
Ich hab nicht so erfahrn in meinen Tagen,
Daß allzu nah sind Krankheit und Verbrechen.

LANDARZT: Die Tür, die dort so fad im Winde grummelt,
Sie eignete sich prächtig zum Spaliere,
Ich hab da was, das sie ganz ungeschummelt
Mit einer tollen Blütenpracht verziere.

STERL (höchst aufgebracht):
Was soll der Spuk? Wollt Ihr mich noch verspotten?
Ein Trümmerfeld und dann geziert mit Blüten?
Ich brauch nichts gehen Fadheit oder Motten,
Noch will ich eine Schwangerschaft verhüten.

LANDARZT: Nun laßt mich meinen Part zuende sagen,
Vielleicht faßt Ihr den kleinen Wink am Schopfe,
Und taugt er ganz und gar nicht Euerm Magen,
Bleibt noch der Spruch, ich sei nicht klar im Kopfe.
Prunkwinden-Samen hab ich hier und allen
Ist es erlaubt, als Gärtner sich zu freuen
Am Blühn und Reifen und am dann Verfallen
Der Winden, die ein Schmutzgeviert erneuen.
Doch muß als Arzt ich jeden Gärtner schrecken,
Wenn man zerkaut die Samen fest im Munde,
So quillt ein Gift und bleibt im Körper stecken,
Das selbst die Hoffnung kränkt, daß man gesunde.
Hier nehmt den Schmuck für die verkohlte Weide,
Ich muß jetzt heim und ein paar Dinge lesen,
Für eine Frau, die aussprach, was sie leide,
Brauch ich das Wissen, daß sie mög genesen.
(Sterl nickt stumm. Der Landarzt ab.)