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Aus »Hermann Sterl. Ekloge«.   Vers 68942 bis 69045

DRITTER AUFZUG. VIERTE SZENE


Sterl, Alienor, später Ugol.

STERL: Sag, Liebes, hast du etwas übertrieben,
Um diese dumme Pute zu brüskieren?
Du mußt dich oft so ganz nach hinten schieben,
Nicht nur wie wir beim Essen nach den Tieren.

ALIENOR: Mag sein, die Kinder stellten sich heut braver,
Um jeden Angriff mutig abzuwehren,
Doch ich verlang nicht Weizen statt dem Hafer
Und mein, ich steh in allerhöchsten Ehren.
Ein jedes Wort, das ich der Ahnungslosen
Gesagt, sag ich dem Herrn auch beim Gerichte,
Es sind kein halbes Aug und kein Almosen
Und keine Zweifel drin in der Geschichte.

STERL: Verzeih die Frag, mir ists wie die Ballade
Vom Ring des Polykrates, der im Glücke
Befürchtete, daß es ihm letztlich schade,
Weil allzugroß erschienen ihm die Stücke.

UGOL (tritt auf):
Recht guten Abend wünsche ich der Dame
Und auch dem Vater dieses Lobs der Erde,
Ich suchte nicht, ob an dem Tor ein Name,
Die Wirtschaft sprach mit deutlicher Gebärde.
Es wird dich, Sterl, nicht allzu überraschen,
Daß ich den Rat such hier an dieser Pforte,
Hat auch das Netz nicht mehr die alten Maschen,
So sickert manches doch in alle Orte.

STERL: Du bist nicht Banker und mit Wertpapieren
Kein Händler und so wohl nicht recht betroffen,
Drum dacht ich ehr, du würdest dich noch zieren,
Das Haus zu suchen, das dir immer offen.

UGOL: O nein, die Krise ist längst fortgeschritten,
Die Bank verkauft an Leute, die man drastisch
Heuschrecken nennt, weil nirgendwo gelitten,
Die Schulden, und die Folgen sind phantastisch.
Die Tilgungsfrist verfällt, und eine Pfändung
Noch abzuwehrn, verkauft der Sachen sieben,
Doch bleibt das Geld knapp, weil dieselbe Blendung
Bei allen Kunden, auch den Großbetrieben.
Der Wirtschaftskreislauf kommt ganz zum Erliegen,
Weil überall die baren Mittel fehlen,
Man spricht von Aufruhr oder gar von Kriegen,
Und schon im Ausland sind die feigsten Seelen.
Man fordert, daß der Staat die Wirtschaft stütze,
Der meint, das Geld flöß rasch in andre Länder,
Manch Ruinierter schießt sich in die Mütze,
Ich aber glaub, du seist der Schicksalswender.

STERL: Ich bin der Heiland nicht, noch Kroisos selig,
Ich werde drüber sinnen, was zu machen,
Doch obs Effekt, die Skepsis nicht verhehl ich,
Es wird schon bald noch etwas ärger krachen.

UGOL: Du wolltest einst den Präsidentensessel,
Was wär, hätt man uns da nicht ausgebootet,
Ich meinte, du durchschaust die Macht der Fessel
Und hättest unsern Tiefgang ausgelotet.

STERL: Auch Präsidenten haben die Berater
Und auch Bedenkzeit, eh geschehn Gesetze,
Ich bin seit Jahren bloß Familienvater,
Jetzt stehst du hier und drängst zu höchster Hetze.

UGOL: Nun gut, ich kann ja wiederkommen morgen,
Dann hast du Zeit, die Lösung zu ersinnen,
Ich hab ja sonst nichts andres zu besorgen,
Versteh, die nackte Panik tickt hier drinnen.
(Er deutet auf sein Herz.)

STERL: Nimm erstmal einen Tee und setz dich nieder,
Ich bin ein Mann von raschesten Entschlüssen,
Es ist nicht gut, du kommst erst morgen wieder,
Weil wir den Knoten gleich entschlingen müssen.

ALIENOR: Mit Zucker, Kandis oder etwas Sahne?

UGOL: Nein danke, nur so schwarz wie meine Seele.
Ich wußte doch, du weichst nicht von der Fahne,
Wenn ich dem Paradies die Unschuld stehle.

STERL: Der Kreislauf, ja, der Rechner und die Daten…

UGOL: Ist alles da, Büro im zehnten Stocke.

STERL: Ja, der Gedanke hat recht viele Paten,
Der Gärtner sei, sprach mancher auch zum Bocke.

UGOL: Hast du die Spur. Wie solln wir weiterleben?

STERL: Nur so in etwa. Wer was hat zu bieten,
Der fordert Geld, ums selber auszugeben
An einen Bieter, und so weiter, Mieten
Und Käufe finden endlich zu dem Kreise,
Weil alles, was bewegt wird, muß bewegen,
Das Geld erschafft dem ganzen seine Schneise,
Doch wenn wir einen Schwamm darüberlegen,
So gehts auch ohne, wenn der Kreis geschlossen,
Es fällt heraus, wenn wir die Brüche kürzen,
So muß, wenn alles mitspielt unverdrossen,
Die Würgemacht des baren Geldes stürzen.
Tauschbörse nenn ichs, und für zwei Prozente
Will ich den Laden aufbaun und erhalten,
Es scheint mir möglich, das vom Geld getrennte
Im Warenstrom in eine Reih zu schalten.

UGOL: Du bist genial. Wann solls geschehn? Noch heute?

STERL: Ich denk, du hast hier einen schnellen Wagen?

UGOL: Den ich dir immer anzubieten scheute…

STERL (zu Alienor):
Du mußt den Kindern alles Liebe sagen.
Ich spüre tief, daß unser Rußland fordert,
Es blutet, und vielleicht kann ich es stillen,
Ich werd zum Generalstab abgeordert,
Ich fühl den Herrn im unbedingten Willen.

ALIENOR: Ich weiß. Schon eh Ugol betrat die Stube,
Drang Schwanensang aus deinem sanften Munde
Ich folge dir in jede Höllengrube
Und bleibe auch, wos nötig in der Stunde.
Du weißt, daß dein Refugium steht geschlossen,
Wenn du im Wolkenkratzer stellst die Weichen,
Und wenn dich Gott erlöst von diesen Bossen,
So wird dein Reich aufs Haar dem alten gleichen.
(Sterl küßt sie. Dann alle rasch ab. Es wird dunkel.)