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Aus »Hermann Sterl. Ekloge«.   Vers 68712 bis 68804

DRITTER AUFZUG. ZWEITE SZENE


Der Moskau-Vorhang hebt sich, man sieht in Sterls Blockhaus.


Sterl und die ganze Familie, Pelagia mit Gitarre.

PELAGIA (singt):
Der kleine Jimmy sitzt am leeren Tresen,
Und Mary kommt nur mit der Whiskeyflasche,
Sie ist so kurz an seinem Glas gewesen,
Daß er nur einen Blick aufs Haar erhasche.
O Jimmy, ist verdeckt von einem Riffe
Die Schöne oder ging sie nur drei Schritte?
O Jimmy, wenn man Seegang spürt im Schiffe,
Hat dann der Kleine einmal frei die Bitte?
Der kleine Jimmy zählt nicht mehr die Gläser,
Sie werden gelblich und dann wieder klarer,
Das Grün wird fahl, wenn Schatten deckt die Gräser,
Und wenn es kehrt, wird es darum nicht wahrer.
O Jimmy, ist verdeckt von einem Riffe
Die Schöne oder ging sie nur drei Schritte?
O Jimmy, wenn man Seegang spürt im Schiffe,
Hat dann der Kleine einmal frei die Bitte?
Der kleine Jimmy kann recht viel vertragen,
Er weiß nicht mehr, wie alles angefangen,
Und spürt er einen dumpfen Druck im Magen,
Versucht er wieder einen Blick zu fangen.
O Jimmy, ist verdeckt von einem Riffe
Die Schöne oder ging sie nur drei Schritte?
O Jimmy, wenn man Seegang spürt im Schiffe,
Hat dann der Kleine einmal frei die Bitte?
Der kleine Jimmy nickt zu den Saluten
Von Marys Flasche, um bloß nicht zu lallen,
Er hält geheim sein Herz und läßt es bluten,
Und ist zuletzt dann doch vom Stuhl gefallen.
O Jimmy, ist verdeckt von einem Riffe
Die Schöne oder ging sie nur drei Schritte?
O Jimmy, wenn man Seegang spürt im Schiffe,
Hat dann der Kleine einmal frei die Bitte?

STERL: Du sangst schon schöner, nicht von Säufernasen
Und hoffnungslosem Schmachten des Idioten,
Von Stuten, die auf unsern Feldern grasen,
Von Lerchen, die den Frühlingsgruß entboten.

PELAGIA: Das Leid ist Teil der Welt, es übersehen
Ist herzlos, und bei trauerreichen Liedern
Seh ich die Leute, wie sie in sich gehen
Und auch den Gruß des Nachbarn leis erwidern.

STERL: Das sing vom großen Leid der Russenerde,
Von Äckern, brach im Netz der Spekulanten,
Vom Knistern, wo nur Wasser kocht am Herde,
Von Höfen, die in einer Nacht verbrannten.
Doch solches grade importierte Schmachten,
Solch Weh und Ach, das keiner Tat gewogen,
Das hilft nur, die schon Müden zu umnachten,
Und meint, wie es, sei alle Welt verlogen.

PELAGIA: Die Jugend mag den Flipper und den Western,
Ich mag nicht singen auf Parteibanketten,
Wer Rußland singt, der gilt schon als von gestern
Und sollte sich ins Mausoleum betten.

STERL (seufzt):
Ich sag es ja, Gesang und Rumgetändel
Ist nichts für eine Maid aus gutem Hause,
Du kommst auf diesem Weg in böse Händel,
Drum rat ich dir: Vergiß die dumme Flause.
Statt Klampferei und andre Spielereien
Wärs not, recht jung den Hausstand einzurichten,
Du solltest einen starken Burschen freien,
Das weitre kommt von selbst mit allen Pflichten.
Wags besser jetzt im mailichen Erwachen,
Eh Juni-Trübnis dir den Tag verregnet.

PELAGIA: Mein lieber Vater, da ist nichts zu machen,
Mit ist der Rechte einfach nicht begegnet.

STERL: Der Waldemar mit seiner schönen Stimme,
Der hier mal Mist fuhr aus dem Schweinestalle,
Ich dachte, daß da zwischen euch was glimme,
Und zagte fast, du kämst zu rasch zu Falle.

PELAGIA: Ich hab doch nicht Tomaten auf den Augen,
Der Waldemar ist schwul und steht auf Kerle,
Das Mädchen kann zur Poesie ihm taugen
Und heißt dann Kätzchen, Wölkchen oder Perle.

STERL: Was sind das hier für anstandslose Sachen,
Du sprichst vor Kindern, grad, als wärs das Wetter,
Was wird solch Umgang aus der Tochter machen?
Gibts denn nur Schmutz und nirgendwo den Retter?

ARSENIOS: Hab unsretwegen Vater keinen Kummer:
Wir wissen aus der Bibel von den Sitten,
Die fern von unsrer ihren süßen Schlummer
Mit gänzlich anderm Ritual erstritten.

ALIENOR (zerrt Arsenios rasch vom Vater weg):
Nun halt den Rand du unverschämter Schlingel,
Der Bub ist frühreif und die reinste Plage,
Er bleibt nicht bei Jorinde und Joringel,
Der Pope sagt, er ist ein Bibliophage.

PELAGIA: Ich denk, man muß da deutlich unterscheiden,
Es gibt wohl Leute, die es ruchlos treiben,
Doch manche sind gewißlich gut zu leiden,
Wenn sie uns russische Gedichte schreiben.

STERL: Nun Schluß, geht raus, die Tiere haben Hunger,
Und daß mir keiner komm zu spät zum Essen,
Dies ist kein Ort für Schwatz und Rumgelunger,
Das sollten groß und klein hier nie vergessen.