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Aus »Hinz und Kunz. Kabale«.   Vers 65124 bis 65239

DRITTER AUFZUG. ZWEITE SZENE


Hinz, Kunz, Auditorium im Saal.

HINZ: Eh ich beschwör, was alle Sie gelesen,
Sei mir ein Mahnwort Stern und Saitenstimmer
Vom Zorne Hölderlins, daß sich ihr Wesen
Die deutsche Seele leugne, blöd und immer.
Als Bundesdeutscher ist der heut Erwählte
Ein Neuling, unverstrickt und unbetroffen,
Fremd tönt zu ihm, was zum Gewohnten zählte,
Vielleicht auch nicht – dies bleibe frei und offen.
Ich mag nicht über Aktuelles sprechen,
Dem permanent Akuten mich zu nähern,
Dem Allgemeinsten meinen Stab zu brechen,
Das wechselt nicht mit Netzen und mit Spähern.
Eh ich Profundes sag zum deutschen Wesen,
Will ich Sie, Kunze, hier willkommenheißen,
Man warnt, wenn wer vom roten Staat genesen,
Ihn gern, nicht andre Köder anzubeißen.
Ich habe solche Sorge stets vermieden,
Weil jedem wohl, der darf sich Autor nennen,
Der Urteilskraft genugsam ist beschieden,
Die Blender von der Ehrlichkeit zu trennen.
Auch ist es dem, der Ausdruck hat, geläufig,
Daß die Gefahr ist allzeit, allerorten,
Darum erweist das Warnsignal sich häufig
Höchst lächerlich schon bei Begrüßungsworten.
Dem Autor, der die Wunderbaren Jahre
Geschrieben hat, hab ich nichts beizubringen,
Er weiß im Wort, in einem Wimpernhaare
Uns ganze Schreckenswelten vorzusingen.
Er sagt, er hab ein Auto Marke Käfer
Beinah gewagt als Tramper anzuhalten,
Hier blitzt ins Aug sogar dem Siebenschläfer
Wie furchtbar spähn die staatlichen Gewalten.
Wir denken in des Terrors Wimpernzucken,
An die Begrüßer der Neutronenwaffe,
Sie tötet sicher und mit kurzem Rucken
Und sorgt, daß sie uns sonst kein Chaos schaffe.
Ein Augenzwinkern kommt zum Wimpernschlage,
Und die Partei, daß solches Zeug uns fromme,
Bestätigt mir die unheilsschwangre Klage,
Daß Meister Tod seit je aus Deutschland komme.
Seit je sind die Politiker verdrossen,
Daß sie der Autor im Roman beleidigt,
Weil er sich ihrer Dienlichkeit verschlossen,
Und Eigenheit und Eigensinn verteidigt.
Der Streit ist international entschieden,
Allein was Künstler auf den Schild erheben,
Ist Wirklichkeit, und mag die Wut auch sieden,
So gibts kein Rückwärts wie auch sonst im Leben.
Parole kann nur sein, was zuzumuten
Mit Hölderlin, mit Kästner oder Kunze,
Bei Wirklichkeit gibts kein Zuviel des Guten,
Und aus dem Maßkrug fällt nicht eine Unze.
Solln andre doch die Tristheit mit Tristesse,
Untröstliches mit Trostlosem vertauschen!
Ich wiederhole nichts, weil ich vergesse,
Ich lieb es, meinen Reden nachzulauschen.
Und was mir Ärger bringt, ist mir das beste,
Verzeihn Sie, daß ichs wiederhole gerne,
Auch Sie wolln, daß der Flüchtige, der Feste
In Ihren Büchern sicher lesen lerne.
Nun aber zu den Deutschen, schlechten Rufes
Sehn sie sich ausgesetzt und angeschlagen,
Auf Pegasos kann man den Druck des Hufes
Zwar kaum recht deutlich zu bestimmen wagen,
Doch gleichwohl ist, wer deutsch schreibt, ein Bekenner,
Das Vaterland wär eine Untertreibung,
Bei Kleist und Kroetz bleibt doch der größte Nenner
Die ausdrucksstarke Sprache der Beschreibung.
Und da uns dies beglückt in Augenblicken,
Darf niemand diese Wirklichkeit uns schelten,
Das ärgerlichste von den Mißgeschicken
Wärs mir, die Sprache müßt als häßlich gelten.
Die Haaresbreite von sensiblen Wegen –
Ein Deutscher fand die treffliche Metapher,
Als Deutscher sich aufs Haaresbreit zu legen,
Auf Haaresbreiten Finder sein und Schaffer.
Wer standhält, weil die Sprache ihn entfaltet,
Die nicht vereinfacht, sondern Zeil um Zeile
Sich aufbaut und allmählich sich gestaltet,
Der trotzt dem Takt und jedem Grad von Eile.
Dies macht betroffen, und kein Staatsmann sage,
Kein Bürger, er sei nicht davon betroffen…
Und dies ist deutsch und wirklich dieser Tage
Und dies ist Grund zu allerhöchstem Hoffen.
Wenn drum Ihr Werk, Herr Kunze, Ignoranten
Als schmal bemängeln, sehn Sie Haaresbreite,
Drauf wurzeln die Planeten mit Trabanten
Und schieben Protz und die Armeen zur Seite.
Vor Davids Schleuder Goliath muß verzagen,
Ein schmales Werk, nicht Propagandadröhnen,
Ein Einbaum wird zu neuen Küsten tragen,
Ein sanfter Pfeil die Stärke singt dem Schönen.
Ihr Einbaum, der nur einen Mann beflügelt,
Wird widerstehn martialisch großen Flotten,
Und dieses Deutsche nicht Vergängnis zügelt,
Was sonst so heißt, verwalten schon die Motten.
Unheimlich scheint mir, was man alles predigt,
Zurücknimmt mehrmals und dann doch bekräftigt,
Wir hielten einen Geist schon für erledigt,
Dann zeigt er sich beständig und beschäftigt,
Die Stäbe tun im Heer und der Marine
Was möglich und unmöglich ist in Pläne,
Es tröstet, daß es allenfalls so schiene,
Doch bang ist mir, so ichs lebendig wähne.
Da helfen uns nur Spinner und Phantasten,
Die wissen kaum Vorhandenes zu raten,
Ein Wimpernzucken löst die Bergeslasten,
Ein Grinsen spricht von mörderischen Taten.
Ich bin mir sicher, daß Ihr Buch, das schmale
Viel mehr erkennt von Deutschen und von Tschechen,
Als tausend, die da stehn im Lesesaale,
Für den, der seine Siegel weiß zu brechen.
Doch dazu muß den Einbaum man erkennen,
Der wird verdeckt von brüllenden Geschwadern,
Und wem die Ohren nicht im Lärm verbrennen,
Spürt Hölderlins Gesang in seinen Adern. (Applaus.)