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Aus »Hinz und Kunz. Kabale«.   Vers 65072 bis 65123

DRITTER AUFZUG. ERSTE SZENE


Nobel eingerichteter Sitzungssaal der Akademie, enge Sitzreihen in dunkel gebeiztem Holz. Ein großes Wandporträt von Georg Büchner mit Goldrahmen. Vor dem Saal eine Straße mit Verkehrsampeln. Wenn die Szene im Saal, sind sie inaktiv, sonst konträr wechselnd.


Timo, Bernd auf der Straße.

TIMO: Hier gibt es das Palaver. Ziemlich dicke
Gemäuer, doch wir haben Megaphone.
Ob ernste Mienen und Krawatten schicke,
Seid sicher, daß die Stimme ich nicht schone!

BERND: Na wenigstens kommt keiner mit der Knarre!
Doch der Effekt ist wie in Wald und Wiese!
Kaum denkbar, daß wer auf die Dichter starre,
Vom Einkaufskorb weg auf den Streit um diese.

TIMO: Romantiker und wieder Defätisten!
So seid ihr Ossis, hin- und hergerissen.
Der Bunker und darinnen die Faschisten,
Das ist der Feind, wie wir doch alle wissen.

BERND: Ob Nazis sind dabei, ob reinste Spießer,
Ist doch egal, man fälscht uns die Geschichte!
Wir sind des miesen Schmierenstücks Vermieser.
Vielleicht siehts jemand so in neuem Lichte.
Der Dichter wird für Propagandazwecke
Von allem freigestellt, was ihm am Herzen,
Sie bringen ihn zum zweiten Mal zur Strecke
Und schmücken sich ganz dreist mit seinen Schmerzen.
Den Nachlaß Büchners im Geburtshaus schafften
Sie hin und her, zuletzt in die Garage,
Weil sie den Vormärz heut noch nicht verkraften,
Ist Deutschlands Größe wieder die Blamage.

TIMO: Laß Deutschland außen vor, denn allzu trübe
Ist diese Brühe aus verfaulten Pflaumen,
Es hieß, daß man den Widerstand begrübe,
Kredenzte man ihn für verwöhnte Gaumen.
Was Büchner war, Rebell und Fortschrittsfackel,
Wird aktuell in Stammheim eingeknastet,
Und gibt sich ihm Mephisto auch als Dackel,
Wird Faust jedoch kein Bettelmönch, der fastet.

BERND: Ich hab den Pfarrer doch nicht eingeladen,
Der schwadroniert von guten Atheisten!
Auch Linke wollen mal im Duftschaum baden,
Vor allem die, die sich bei Zoff verpißten!

TIMO: Ein breites Bündnis gegen Restaurierer
Als eine Front, die Zellen sind die andre.
Dort Ponto, Buback, hier die Hymnenschmierer,
Ein klarer Blick durch diese Reihen wandre!

BERND: Der Feind ist eins, das andre die Visionen,
Die wir entwickeln, einst ihn abzulösen,
Die Süße Pfirsichs lernt man nicht bei Bohnen,
Und auch das Gute lehrn uns nicht die Bösen.

TIMO: Aktion ist alles! Sei sie auch bescheiden.
Stell dir mal vor, wie bald die Bullen schäumen,
Allein den Täter gilt es zu beneiden,
Danach gibts noch genügend Zeit zu träumen.

BERND: Das glaub ich nicht. So manches wilde Rasen
Bewirkte grad das Gegenteil des Zweckes.

TIMO: Dein lieber Schiller und die Dichterphrasen!
Kram lieber aus den Schlüssel des Versteckes!
(Bernd holt einen Schlüssel aus der Hose. Beide ab.)