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Aus »Hinz und Kunz. Kabale«.   Vers 65240 bis 65307

DRITTER AUFZUG. DRITTE SZENE


Bernd, Timo, Ironicus, Demonstranten auf der Straße.

BERND: Ein Ärgernis ist die erlauchte Runde,
Die parfümiert sich ihre Hände schüttelt,
Ich spüre schon den Gallensaft im Munde,
Drum sei das Volk von Darmstadt aufgerüttelt.

IRONICUS: Warum wird dieser Preis denn nicht verboten?
Denn schließlich braucht man nur den Steckbrief lesen,
Um klar zu sehn, daß da wie heut die Roten,
Den Staat zu störn, bemühn ihr ganzes Wesen.
(Allgemeines Gelächter.)
Wie trennt man sich im Tode so vom Bösen?
Mir scheint, wir müssen alle schleunigst sterben.
Nicht mal dem Papst gelängs, den Fluch zu lösen,
Der Büchner trennt von solchen Büchnererben.

TIMO: Es ist ein Hohn, was sich die Herrn erlauben,
Sie feiern, was an Haarn herbeigezogen,
Sie sammeln sich, ein Denkmal zu entstauben,
Was sie erhaschen, das ist bloß gelogen.

BERND: Doch unser, Leute, ist das Straßenpflaster!
Laßt ziehn uns nach dem Hause der Debatte!
Zu lang schon spieln sie ungestört Kanaster,
Doch irgendwann zeigt sich im Korn die Ratte!

IRONICUS: Ihr solltet Mitleid haben mit den Kranken,
Die sich in diesem Vogelnest verschanzen,
Wir haben ihrem Säuseln doch zu danken,
Daß Büchner nicht verboten ist im ganzen.
(Er wird von Gelächter unterbrochen.)
Sie feilen und sie ordnen ein historisch,
Was dort gesagt ist, bis es ganz geduldig,
Wir aber sehn den Inhalt so euphorisch,
Als sein wir einem Toten etwas schuldig.
Dagegen ist dem echten Patrioten
Das Grundgesetz ein Leitstern und ein Mahner,
Er setzt nicht auf die Spinner und die Roten,
Das Gute bringt doch der Amerikaner.

ERSTER DEMONSTRANT:
Der Büchner her, der Ami geh nach Hause!

ZWEITER: Ein bissel zügig, weil wir ihn nicht brauchen!

DRITTER: Ausreichend war doch die Erholungspause!
Er wird sich doch die Füße nicht verstauchen?

CHOR: Der Ami geh mit Panzern und Raketen,
Er hat zuhause doch genug Probleme,
Daß er sich mit Soldaten und Moneten
Zum Schulen- oder Straßenbau bequeme.

BERND: Der Russe aber soll hier auch verschwinden,
Wir wollen unser Land hier selbst gestalten,
Die Kräfte, die Besatzungsmächte binden,
Sie dürsten, ihre Blüten zu entfalten.
Die Mauer weg, daß einig wir als Freie
Den Frieden finden ohne Maulkorbschnürer,
Das deutsche Volk erwach mit einem Schreie,
Der Geist des Vormärz sei Fanal und Führer!

TIMO: Nicht übertreiben, Hitzkopf, denn vereinigt
Der deutsche Kummer reicht für das Jahrhundert,
In Darmstadt sei das Leben uns bereinigt,
Vielleicht, daß uns der Osten einst bewundert.
Und überdies: es geht nicht um Besatzer,
Dies ist ein Wort aus abgelebten Riten,
Wir jammern nicht um zugefügte Kratzer,
Und meinen nicht, wir darbten hier und litten.
Vietnam! Wo Napalm Dorf und Wald verbrannte,
Dort zeigt sich von Amerika die Fratze,
Dem gleicht nichts, was der Sowjet uns bekannte,
Drum nenn den Kreml nicht im gleichen Satze!
Heut gehts nicht um Nationen, Krieg und Frieden,
Um Schranzen gehts, die Dichter uns beschmutzen,
Dies ist wohl vielen Ländern so beschieden,
Der Herrschaft zu Erbauung und zum Nutzen.

CHOR: Schluß mit dem Spuk! Auf zur Mathildenhöhe!
Wir ziehn, den Büchnerpreis zu unterbinden!
Auf daß sie unterm Hinterteile Flöhe
Gewaltig zwacken, bis sie ganz verschwinden! (Alle ab.)