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Aus »Hinz und Kunz. Kabale«.   Vers 64646 bis 64722

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Eine Maus läuft quer durch das Zimmer.


Franke, Kunz.

FRANKE: Sieh einer an, wie dreist, die kleine graue!
Es ist so friedlich hier bei Fuchs und Hase.
Gespenster, die ich mir im Geiste baue,
Der Unerschrockne nennt sie Seifenblase.

KUNZ (trinkt jetzt auch einen Schluck Wein):
Na, wenn die Schlacht schon siegreich ist geschlagen,
Was konspiriern wir da am Waldesrande?
Denn so wie Sie die Sache vorgetragen,
Verliert die Stasi sich schon bald im Sande?

FRANKE: Wenn Lenin widerlegt ist, kann man freilich
Noch nicht vom Sieg der Menschenrechte sprechen,
Fällt eine Macht, so sind wohl hundert eilig,
Zu profitiern von offenbarten Schwächen.
Nationalismen werden wiederkommen,
Sobald der große Bruder geht nach Hause,
Die Kirchen werden buhlen um die Frommen,
Und zur Gefahr wird manche blöde Flause.
Drum reicht es nicht, was fallen will, zu stürzen,
Wir brauchen unsre Werte bei den Massen,
Es ists nicht gut, die Wege abzukürzen
Und dabei einen Brunnen zu verpassen.

KUNZ (trinkt den Rest des Glases aus):
Grad sprachen Sie vom großen Sieg der Werte,
Nun ist es wieder nicht genug der Ernte?

FRANKE (schiebt das halbvolle Glas beiseite):
Der Wohlstand ist schon jetzt das höchst Begehrte,
Doch Wolkenhimmel gibts, nicht nur besternte.
Sehn Sie, den Traum Amerikas erfinden
Nicht diese nur, die Glück dabei gewinnen,
Auch jene, die sich fruchtlos mühn und schinden,
Sind stets bereit, das Muster fortzuspinnen.
Amerika hat Völker, Rassen, Sitte
Verschmolzen, daß man nicht mehr weiß die Quellen,
Und daraus folgt, daß immer alles litte,
Säh man nicht ganz Amerika im Hellen.
Es bäumt sich niemand auf, weil unser Weben
Das Fremde macht zu Eignem, nicht zu scheiden,
Daß man begreift, ganz anderswo zu leben,
Glich einem Vieh, das suchte dürre Weiden.
Drum gehts nicht nur um Breshnew, lieber Dichter,
Es geht um eine Welt, die ohne Mauern,
Wir wollen sie vernunftgemäß und lichter,
Und wissen wohl, wo die Dämonen lauern.

KUNZ (schenkt sich neu ein und trinkt):
Was muß ich tun, wo ist mein Wort am Platze?

FRANKE: Zunächst ist Defätismus eine Sünde,
Unangebracht wie nie, mit einem Satze,
Daß alles in ein großes Chaos münde,
Das mag wohl glauben, wer sonst nicht zu brauchen,
Doch wer berufen, Flaggen aufzupflanzen,
Der braucht sich seinen Fuß nicht zu verstauchen,
Um nicht bei Totentänzen mitzutanzen.
Wir haben das im Griff. Wir haben Leute
In Stasi, in Partei und Ministerien,
Wer fest an unsrer Seite, hier und heute,
Der weiß: Schutzengel machen keine Ferien.
Wir sind dabei, die Staatlichkeit zu schwächen,
Wer sich bewährt an Saale und an Elbe,
Der schafft, gewohnt, den Widerstand zu brechen,
An Rhein und Donau kampferprobt dasselbe.
Wir stehn im Krieg mit Stalin und mit Hitler,
Drum darf uns eine Pause niemals täuschen,
Die Toleranz ist einzig der Vermittler
Von gutem Schlaf und angenehmen Räuschen.
(Er macht eine vielsagende Geste.)

KUNZ: Sie haben meiner Frage nichts erwidert.
Sie sagten nichts von meinem weitern Wege,
Ich hab mich nie dem Staate angebiedert,
Doch scheints mir, daß ich künftig Schlingen lege.

FRANKE: Sie finden Weg, wenn Sie sich sicher wähnen.
Wenn Sie herausschrein, was Sie unterdrücken,
Die Haltung machts, daß bei den stolzen Schwänen
Kein Trüber wagt, den blanken Dolch zu zücken.
Ich denke wohl, wir haben uns verstanden,
Die Welt wird bald auf Ihre Wege schauen,
Kein winzges Haar kommt ihrem Leib abhanden,
Wenn Sie nur auf Amerika vertrauen.
Ich habe leider heute noch Termine,
Sie finden frische Wäsche hier und Essen,
Ich hab die Plackerei, die ich verdiene,
Doch unser Kampf läßt Müdigkeit vergessen.
(Ab. Kunz setzt sich hin und trinkt in wachsendem Tempo den restlichen Rotwein. Es wird langsam dunkel.)