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Aus »Hinz und Kunz. Kabale«.   Vers 64723 bis 64795

ZWEITER AUFZUG. DRITTE SZENE


Als es wieder hell wird, sind Wald und Forsthaus dem Saal eines mitteldeutschen Gemeindehauses gewichen. Zwei Stasioffiziere verlegen Leitungen für eine Abhöranlage.


Stiller, Michel.

MICHEL: Wie sind wir in der Zeit? Muß ich mich sputen?

STILLER: Nur keine Sorg mit wackelnden Gardinen,
Gemach, noch halbe Stund und fünf Minuten,
Der Imker kommt zuerst und dann die Bienen.

MICHEL (steigt von der Leiter):
Das Kabel ist nicht mehr zu sehn, die Sache
Will nun getestet sein geraume Weile.

STILLER: Ich schau dann nebenan, wie sich das mache.
Geh mal umher und sprich, doch ohne Eile.

MICHEL (fängt an umherzulaufen):
Wie immer ein Gedicht, vielleicht von Schiller?

STILLER: Von mir aus, aber maßvoll deklamieren.
Und nicht schon wieder von dem Drachenkiller,
Der bei dem Coup Gehorsam wollt verlieren.
(Er tritt auf die Vorbühne und setzt Kopfhörer auf.)

MICHEL: Im Weiß der Muschel und auf Wolkenhügeln
Ergeht er sich und säumt Saturns Gefilde,
Schweigt dir das Herz, laß ab, ihn auszuklügeln,
Und führ zerbrochnes Sparrenkreuz im Schilde.

STILLER (kommt zurück nach oben):
Die Übertragung ist in jeder Ecke
So klar, daß man noch besser als im Zimmer,
Begreifen kann, was in der Rede stecke,
Sei sie auch wirr, so wie beim Michel immer.

MICHEL: Zwar wirr, doch niemals formlos wie bei Kunze,
Auch wenns nicht meine Pflicht geböt im Dienste,
Ich haßte gleichwohl dieses Schweinsgegrunze,
Von allen Feinden ist er der verspleentste.

STILLER: Doch die Studenten kleben ihm am Munde,
Man sieht, wie sich die Köpfe rings verrenken.

MICHEL: Sein Deklamiern kennt einzig eine Kunde:
Man hindert euch gewaltsam hier am Denken.
Und wer hier hindert, ist man sich dann einig,
Natürlich nicht der Geck mit seinem Wahne,
Es hindert die Partei ganz augenscheinig,
Und ganz besonders tun dies die Organe.

STILLER: In Tschechland oder hier und auch im Westen
Sagt Kunze stets, daß unser Land ein Kerker,
Und während er uns alle hält zum besten,
Steht oftmals der Mercedes unterm Erker.

MICHEL: Ein Freund von Gaus, dem ständigen Vertreter,
Wie wird man das in Greiz und als ein Dichter?
Doch nein, wir suchen bloß den schwarzen Peter,
Weil wir beschäftigt sind als Kunstvernichter.

STILLER: Kaum möglich scheints, sarkastisch nicht zu werden,
Wenn man hier tut und tut und ganz vergebens,
Wohl selten gab es einen Staat auf Erden,
Der Dienern blieb das Rätsel ihres Lebens.
Warum, frag ich, läßt man den Lumpen reisen,
Was doch dem braven Bauern ehr zu gönnen?
Er lärmt und wir sind immer bloß die leisen.
Ich frage, warum wir nichts machen können.
Warum sitzt dieser arrogante Schwätzer
Mit Biermann nicht in einer Doppelzelle?
Und wie erklär ich einem Rechtsverletzter,
Daß manchmal Dunkel lieber uns als Helle?

MICHEL: Die Schmähschrift, die zu Frankfurt an dem Maine
Erschienen, ging doch nie legale Wege,
Man fragt das Ministerium, Antwort – keine!
Den Vorgang also zu den Akten lege.
Devisen streicht er ein, bei Schweizer Banken
Sind höchstwahrscheinlich wohl die eingesackten,
Und wo wir an Valutaarmut kranken,
Gibts für den Räuber nichts als viele Akten.
Ich weiß von Politik und vom Taktieren
Nicht viel und laß es gerne den Berlinern,
Doch wenn wir hier den guten Mut verlieren,
Liegt das nicht nur am Westen und Schlawinern.

STILLER: Wir werden heute wieder eifrig sammeln
Ein Material, das reichte für zehn Jahre,
Das wird wie immer im Archiv vergammeln,
Da rauft sich die Gerechtigkeit die Haare.
Wenn einst Historiker sich fragen werden:
Wie war es denn im beßren deutschen Staate,
Dann sind wir zwei schon lang nicht mehr auf Erden
Und unlesbar sind Akten und Traktate.