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Aus »Anna Luise. Trauerspiel«.   Vers 62972 bis 63063

ERSTER AUFZUG. FÜNFTE SZENE


Anna Luise, Thekla, Sonne, Forstmeister. Günther und Bary treten auf.

GÜNTHER: Hallo, der Forstmann widmet sich den Frauen,
Ist Waidmannsheil seit neustem Frauensache?

FORSTMEISTER: Durchlaucht, ich hoff, ich ehre Eur Vertrauen,
Wenn ich zum Walde eine Schulung mache.
Um näher an der Wahrheit dranzubleiben,
Der Wald war nur ein Einstieg zum Dispute,
Was heutzutag die Dichter alles schreiben,
Hier darzutun, war diesem Kreis zumute.
Zu Rudolstadt sah jüngst ich auf der Bühne
Den Wedekind zugang mit den Hetären,
Die Villa Silberblick gab dazu kühne
Gedanken, um den tiefren Sinn zu klären.
Dies führte dann zu unsrer Zeit Befinden,
Den Dichtern, Philosophen und dem Glauben,
Und daraus einen Blumenstrauß zu winden,
Ließ ich mir eine Arbeitsstunde rauben.
Doch bitt ich Euch, nachdem ich dies gestanden,
Jetzt gehn zu dürfen nach der Schweinekuhle,
Ansonsten wird mir ganz der Kopf zuschanden,
Wenn ich mich selber im Moraste suhle.

ANNA LUISE: Ich denk, ihr spracht hier lange voller Eifer
Und saht es nicht als Wühlen im Moraste,
Ihr singt das Lied grad wie der Regenpfeifer
Die Düne preist, die augenblicklich paßte.

FORSTMEISTER: Es ist mein Laster, daß mich feine Damen
Bewegen, unverantwortlich zu schwatzen,
Und konnte so mein Arbeitssinn erlahmen,
Mög doch dem Herrn drob nicht der Kragen platzen.
Ich will jetzt mein gar launiges Geschwafel
Beenden und mich widmen meinen Pflichten,
Es ist nicht recht, daß ich hier säumig tafel
Und hab dem Herrn nur Nichtstun zu berichten.

GÜNTHER: So richtet mir den Anstand und die Fährten
Des Wildes prüft, ich will heut nächtens jagen,
Und grämt Euch nicht des Weilens im Verkehrten,
Ich will kein böses Wort darüber sagen.
(Forstmeister ab, zu Anna Luise):
So sagt mir, Gattin, was war an dem Stücke
So fesselnd, daß der Tag schon geht zur Neige,
Wir wollen dann recht rasch zur Schwarzabrücke,
Denn Thekla sehnt sich schon nach ihrer Geige.

THEKLA: Der Mann sprach recht, der Pilz ist alt und mürbe,
Die Zierde ist verschmiert und ganz vergammelt,
Mir ist zumut, als ob mein Liebster stürbe,
Ach hätt ich ihn doch niemals aufgesammelt!

ANNA LUISE: Es ist der Pilz, den sie so tief betrauert,
Du weißt, sie hat ein Herz für kleine Dinge,
Ich hätte ihr, die mich gar herzlich dauert,
Gewünscht, daß ihre Freude nicht verginge.

GÜNTHER: So war der Pilz das Thema dieser Stunden?
Ich mein, dann gibts wohl nichts mehr zu beklagen.

ANNA LUISE: Nein, aufgebrochen sind gar manche Wunden,
Und in der Kürze ist es nicht zu sagen.
Wie vorhin, als wir sprachen von den Wahlen,
So dachten wir der neusten Kunst Tendenzen,
Ich glaub, im Geist bezeugen sich die Qualen,
Die künftig unser Lebensglück begrenzen.
Wir dachten der Entartung aller Sitte,
Und daß die Weisheit kann den Strom nicht wehren,
Wir fühlen uns allein mit unserer Bitte,
Der Väter Haus bleib heil und bleib in Ehren.
Man spielt noch, doch man schärft dabei die Waffen,
Die angestammten Regeln auszumerzen,
Wir stemmen uns und werdens doch nicht schaffen,
Ich seh die Zukunft voller Leid und Schmerzen.

GÜNTHER: Wir tun, was uns zu tun ist aufgetragen,
Was drüber steht, ist unserm Aug verborgen,
Das Leben ist ein Dienst an unsern Tagen,
Und fern davon erkennen wir kein Morgen.

ANNA LUISE: Sind wir zu milde, sind wir zu geduldig,
Und fehln wir nicht, wenn wir Verfall nicht wehren?
Macht sich der Gleichmut nicht der Blindheit schuldig,
Ist Liebreiz recht vor Feinds entschloßnen Heeren?

GÜNTHER: Nicht gute Werke, wie es die Papisten
Erzählen, können unsern Herrn bewegen,
Zu kürzen und zu dehnen seine Fristen,
Er wird sich nicht in die Geschichte legen.
Ganz unerforschlich ist des Heilands Gnade,
Der uns erfreut im Weine und im Brote,
Drum sei sich für Orakel stets zu schade
Der Christ und halte sich an die Gebote.
Die Philosophen schaun die Meereswelle,
Die Feldherrn nutzen sie zum Überfalle,
Doch nur der Glaube führt dich heim ins Helle,
Und wahrt uns vor des Menschenfeindes Kralle.
Was wir als Splitter schaun in einem Auge,
Verbirgt den Balken uns im eignen Lichte,
Drum frag nicht, was das Tun der andern tauge,
Und mach dabei das eigne Heil zunichte.
Wir wolln, was auch gescheh und was da komme
Im Abendmahl für diesen Sonntag danken,
Dem Herrn vertraun, daß uns ein weitrer fromme,
Was immer sich Geschichten darum ranken.