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Aus »Anna Luise. Trauerspiel«. Vers 63216 bis 63315 ZWEITER AUFZUG. DRITTE SZENE Anna Luise. Edda tritt auf. EDDA: Ich schnei hier rein, ach Liebes, laß dich küssen! Was ist? Du weinst? Was ficht dich an, Luise? Wie lange hab ich dich vermissen müssen? Nun Tränen – hast du keinen Gruß als diese? ANNA LUISE: Ich weine meines totgebornen Jungen, Ich meinte, daß ich dies verwunden hätte, Daß mir der Tod den Erben abgerungen, War erster Schlag in einer langen Kette. EDDA: Nun sprich mir nicht von Teufeln und von Rettern, Ihr wart seit zweiundneunzig ohne Hoffen, Die Linie von den Sondershäuser Vettern War schon im Jahre neun vom Schlag getroffen. Da brauchts nicht Dolchstoß, Sozis und Lakaien, Die Luft ging aus dem gänzlich Überlebten, Es scheint mir gottlos, da herumzuschreien, Daß Fürsten nur nach Volkes Wohlfahrt strebten. Die Art, wie da gefeilscht um Haus und Hufe, Mag häßlich sein, doch solltest du verstehen, Du nutztest Jugend nicht zu dem Berufe, Drum mußt du stets nach einer Rente sehen. Auch war dein Mann recht alt und seine Künste In Diensten, die schon anderswo gestrichen, Du bautest ganz auf Nebel und auf Dünste, Die hoffnungslos der Morgensonne wichen. Bei Licht besehn, ist Adel die Marotte Vergangnen Glanz zu halten vors Reale. Wo steht, daß dies verbürgt vom Christengotte, Als hier im musealen Rittersaale? Schon lange schlägt den Zeittakt die Maschine, Erfinder, Technik, Risiko und Handel, Dies alles schafft dir nichts als böse Miene, Denn du verabscheust den Gesellschaftswandel. Es hilft dir nichts, dies immer zu verschweigen, Ein Glaube, der Vernunft und Sinn zuwider, Ist nichts als Pathos oder Schwanenreigen, Der Christ dagegen müht sich fromm und bieder. ANNA LUISE: Mit harter Logik meinst du beizukommen Dem Schicksal, das nicht dankte mein Entsagen, Wie ich dies seh, das ist wohl zu verschwommen, Du würdest es am Morgen nicht ertragen. EDDA: Es tut mir leid, ich weiß nicht was mich reizte So selbstgerecht die Luft dir abzuschneiden, Auch ists nicht recht, daß ich mit allem geizte, Was Eintracht schuf und Freundschaftsglück uns beiden. Ich hab mir in der Rudolstädter Gosse, Ein Fuhrwerk, schwer zu finden heut, gemietet, Um nicht zu nahn mit stählerner Karosse, Weil dies, ich weiß, dir keine Freude bietet. Doch wenn ich solches tu, dir zu gefallen, So frag ich mich, ob albern und verlogen, Ein Komödiant sieht immer Recht bei allen, Am Ende doch sind alle nur betrogen. ANNA LUISE: Dies war sehr nett, als Günther auf der Erde Noch war, wollt er mir oft ein Auto schenken, Ich aber liebte viel zu sehr die Pferde, Als irgendwann an solch ein Ding zu denken. EDDA: Ich weiß, du bist so träumerisch, so trunken, Willst wie die Schwarza meist im Schatten fließen, Ich will nun nicht mehr von der Zukunft unken, Denn schließlich wolln wir diesen Tag genießen. ANNA LUISE: Was führt dich überhaupt in diese Lande? Mein Diener meinte, dies sei recht beschwerlich. Er meinte auch, doch dies nur ganz am Rande, Die Schweizer wären meist auf was begehrlich. EDDA: Mein Gatte mußte nach Berlin, Geschäfte, Er hofft, da manchen Auftrag abzukriegen, Ich dacht, ich tank im Walde neue Kräfte, Und bin mal aus dem Schnellzug ausgestiegen. ANNE LUISE: Das macht mich heiß – was gibts da zu verdienen? Braucht Hitler jetzt am Alex größre Uhren? Ist ihm im Traum der Weckergeist erschienen, Und bringt die ganze Branche so auf Touren? EDDA: Luise, mein, du im Dornröschenschlosse, Die Schweizer Uhr ist längst ein andres Wesen, Zeitzünder heißts im flügelnden Geschosse, Begehrt in Greenwich wie in den Vogesen. Der Krieg braucht Technik, die wir produzieren, Wir liefern strikt neutral an alle Kunden, Im heutgen Kriege kann man nur verlieren, Beherrscht man nicht die Taktung der Sekunden. ANNA LUISE: Krieg ist doch längst, wieso erst jetzt Berliner? Da müßten die Geschäfte doch längst laufen? EDDA: Die Schweizer sind nicht billigste der Diener, Zu teuer wars Berlin, bei uns zu kaufen. Doch jetzt, da Belgien fiel der Offensive, Hats Reich den Goldschatz dieses Lands gewonnen, Mein Mann sprach da, ein Tor, wer dies verschliefe, Vielleicht ist man den Preisen mehr gesonnen. (Das Telephon klingelt, Anna Luise mit einer entschuldigenden Geste in den Nebenraum, sie kehrt bald zurück.) ANNA LUISE: Der Reichstatthalter Sauckel braucht Quartiere, Geeignet für den Königshof von Flandern, Ich sagte zu, daß ich mich da nicht ziere, Ich denk, wir können jetzt ins Grüne wandern. Der Johann ist am Richten für die Gäste, Das weitre wird sich finden und ergeben, Vielleicht ist diese Wendung gar das beste, Denn öde ists, so ganz allein zu leben. EDDA: So laß uns in das Tal der Schwarza schauen, Zwar ist das Gold des Flusses längst gefunden, Doch unverlierbar bergen diese Auen Genervten Städtern goldig helle Stunden. |