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Aus »Erex saga. Parabel«.   Vers 62393 bis 62508

DRITTER AUFZUG. VIERTE SZENE


Vor dem Vorhang ein Brunneneimer her­abgelassen, in dem Enite sitzt. Sie verläßt den Eimer am Bo­den und vollführt einen stummen Tanz im Brunnen, zu dem sich nach einer Weile das unbekannte Mädchen gesellt. Der Brunnen singt mit Hall aus dem Hintergrund.


Brunnen, Enite, das unbekannte Mädchen, später Erec und Mabonagrin.

BRUNNEN: Wasser gießt sich in Gefäße,
Wasser hebt den Zweig ins Licht,
Alles Maß sucht das Gemäße,
Ohne Wasser geht es nicht.
Wasser rötet sich zum Blute,
Wasser grünt als Chlorophyll,
Wasser reizt zum Wagemute,
Wird im Löwen zum Gebrüll.
Denn sein Wesen ist Vermengen
Seine Tat Zusammentun,
Starr in Raum- und Zeitenfängen
Mußt du ohne Wasser ruhn.
Lösen ist die Kunst des Bades,
Daß sich neu zusammenfüg,
Was die Weglichkeit des Rades
Noch als Alter weitertrüg,
Wasser kann allein verjüngen,
Augen auftun tags und nachts,
Heiter und in großen Sprüngen
Seine vielen Wunder machts.
Bist du einsam und alleine,
Wasch die Augen, steh und schau,
Wasser trägt den Geist im Weine,
Wüsten machts zur goldnen Au.
Wasser ist das Weib dem Feuer,
Beiden nötig ist der Ring,
Denn bestimmt dem Ungeheuer
Ist, daß es dem andern sing.
(Pause.)
Brunnen heiß ich für die Helle,
Der ich Finsternis und Nacht,
Daß zum Sprudel werd die Welle,
Hat der Herr mein Aug gemacht.
Wo das Wasser heißt das rare,
Bin ich ewig hochgeehrt,
Mir allein gelingt das Klare,
Das dem Keim die Wunde wehrt.
Doch ich schmachte und ich schweige,
Weil ich weiter fließen will,
Wenn ich euch das Fließen zeige,
Horcht, ich tu es meistens still.
(Pause.)
Ineinander, auf und nieder,
Tanzt, der Brunnen rufts euch zu,
Was dem Adler sein Gefieder,
Sind dem Tänzer seine Schuh.
Was der Schwerpunkt kann vollführen,
Was das Lot der Welle taug?
Euch im Tanze zu berühren,
Blicket tiefer als das Aug.
Mädchen muß der Brunnen spucken
Einem Aug und einem Ohr,
Feuerstirnen sollen zucken
Und im Wasser tönt der Chor:
Alles ist dir zugeflossen
Und verlangt nach deinem Reif,
Darum flink und siegentschlossen
In die Brunnenfluten greif!
(Enite ab.)

DAS UNBEKANNTE MÄDCHEN (singt):
Tanzen wolln wir tanzen, tanzen,
Alles winkt dem Tanze zu,
Südwind haben wir im Ranzen,
Goldnes Korn im roten Schuh.
Als des Wassers Sprudelgeister,
Als Fontänen und Geperl,
Macht uns weis kein Weitgereister,
Daß der Born ein trüber Kerl.
Übermut und Lust zu necken,
Ist des Wassers Eigenart,
Keiner soll sich noch verstecken,
Der sich mit dem Feuchten paart.
Plätschern, prasseln, überschwemmen –
Woge bist du mein, ich dein?
Durch das volle Haar zu kämmen,
Stimmt mich auf das Wiegen ein.
Wiederkehr im Schrei der Wiege
Ist des Weibes Wissenschaft,
Wo ich durch die Lüfte fliege,
Fehlts dem Boden nicht an Haft.
Denn zur Krume und zum Keimen
Kehrt was kehren will und kann,
Rauscht der Regen in den Reimen,
Kommt es auf die Erde an.

EREC (führt das unbekannte Mädchen zu Mabona­grin, der am Rand der Bühne wartet):
Der Hymnus ist gesungen, Streit und Suche
Sind bloß Gefolgschaft nach den Elementen,
Nicht dunkler Botschaft weigre dich und fluche,
Denn dunkel ist sie bloß dem Abgetrennten.
Wer aber eintritt in das Reich der Wasser,
Der faßt das Licht mit einem andern Glase,
Der Geist wird so zum Wildfang und zum Prasser,
Und Blumen stehn nicht länger in der Vase.
Ich bringe euch die Braut, die eure Augen
Nicht fassen konnten, eh der Staub gewaschen,
Sie hat das Salz, das Urgestein zu laugen,
Vermögt ihr mehr, als nur davon zu naschen.
Denn ein Zuviel ist nur bei Sucht gegeben,
Dieselbe ist ein Fliehn ins Nebeltrübe,
Wer aber jede Faser tränkt mit Leben,
Weiß, daß ihm nie ein Erdenmaß genüge.
Die Minne eint, was Geist und Streit versuchen,
Drum geht in ihr der Dichter mit dem Krieger,
Und wer nicht nur ein Stück begehrt vom Kuchen,
Der bleibt zuletzt auf allen Feldern Sieger.
Verwundert euch nicht, daß wie eine Grille
Ich eine andere Larve euch kredenze,
Zum Doktor macht den Heiler nicht die Brille,
Und Leichtigkeit erfinden nicht die Tänze.
Der Heile heilt sich selber im Patienten,
Er sieht sich als Konvexes im Konkaven,
Die Einheit ist die Gabe des Getrennten
Und alle Wachheit ist verdankt dem Schlafen.
Wer achtsam geht durch Träume und durch Rollen,
Begreift zuletzt, was ihm im Sieb geblieben,
Und wenn die Fraun uns wirklich lieben wollen,
So müssen sie das Eigentliche lieben.
Schaut, wie ich geh nach Haus in diesem Stücke
In neuem Anspruch, was die Zeit mir bringe,
Ich hoff, euch dients zu euerm eignen Glücke,
Und dem allein der Wunderbronnen singe.