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Aus »Erex saga. Parabel«.   Vers 62509 bis 62617

DRITTER AUFZUG. FÜNFTE SZENE


Der Vorhang hebt sich. Während Erec von vorn in die Bibliothek tritt, kommt Enite von hinten zwischen den Regalen hervor.


Artus, Guineneve, Erec, Enite, Iders.

EREC: Enite!

IDERS:         . . . ward vom Bücherbord gefressen.
Zogt ihr nicht aus, sie wieder heimzubringen?
Ach ja, ich Tor, da hab ich doch vergessen,
Nicht jeder Strauß muß euerm Arm gelingen.

EREC: Nicht als Panoptes hat euch Gott geschaffen,
Sonst hätt auch nicht verfangen manche Finte,
Ihr solltet ruhig mal nach hinten gaffen,
Nicht jede Weisheit offenbart die Tinte.
(zu Enite):
Enite sprich! Ich will sie wieder hören,
Die Vogelweisheit aller Nachtigallen,
Doch gräm dich nicht, wenn Flöten nicht betören
Den Wachen, der aus seinem Traum gefallen.

ENITE: Ich hätte gern euch passender gesprochen.
Jedoch, auf Artus’ Pult das Bücherbabel
Steht vor dem Fall, gewaltig weggebrochen
Ist manchem Geist die herrlichste Parabel.
Versessen wie auf Honig ist die Biene,
Türmt groß auf klein und dick auf dünn der Gute,
Nun ist es nur noch kurz bis zur Lawine,
Dem Bücherfreund wirds dabei klamm zumute.

GUINEVERE (als Artus’ Stapel zusammenbricht):
O Artus, wärst du doch wie ich am Liegen,
Was unten liegt, das kann so tief nicht fallen.

IDERS: Was hilfts, wenn sich im Fach die Balken biegen,
Die Bücherberge wuchern wie Korallen.

EREC (mit Enite am Aufsammeln):
So findet sich gleich Grund, zu zweit zu wirken,
Gemeinsam ist ein großes Ding ein kleines.

ENITE: Dies war kein Wort aus tiefen Hirnbezirken,
Gemeinplatz heißt der Philosoph des Scheines.

EREC: Du hast vermutlich viel zu viel gelesen,
Unweiblich ists, so klug sich zu vernehmen.

ENITE: Nach deiner Wahl Prozeßort ist gewesen,
Dies Schloß, das keins der allzusehr bequemen.

EREC: Du wirst am Ende immer recht behalten,
Es ist kein Weg, das Reden zu verdammen,
Doch was den Heißsporn trifft, versagt beim Kalten,
Wer wenig schießt, die Pfeile hält beisammen.

GUINEVERE (kommt, um Enite zu begrüßen, und stößt dabei den gerade neu gehäuften Bücherstapel um):
O weh! O weh! Nun werd ich meiner Rolle
Als Schirmerin der Sitte ganz verdächtig,
Daß dieser Stapel nochmals stürzen solle,
Beschloß ein Schrat, der für die Queen zu mächtig.

EREC: Wir sollten gehn. Sonst wird noch zur Klamotte
Das gute Stück mit seinen tiefen Sprüchen,
Die Spitzzung meint, eh man der Bücher spotte,
Wärn Frauen lieber eingesperrt in Küchen.
Auch will ich euch vertraun, wer dieses Schlosses
Papierne Möbel hat hineingetragen,
Ein Zauberer im Tempo des Geschosses
Die Bücher fuhr in einem Drachenwagen.
Der Ritter, der erst, wenn wir längst gestorben
Auf Taten sinnt, mit Namen Don Quijote
Hat vor der Fahrt manch altes Buch erworben,
Und als er heimkam, schlief er tief wie Tote.
Dies nutzt der Zaubrer aus, mit einem Fluche
Flog alles in vergangene Geschichte,
Darum geschieht es uns, daß wir im Buche
Erfahrn, was erst zu tun ist für Berichte.
Man muß den Zaubrer freilich milde pönen,
Denn Rettung war sein Diebstahl den Folianten,
Von Weiberart, die abhold allem schönen,
Warn oder werden sein des Ritters Tanten.
Sie hatten als der Fluch fiel schon beschlossen,
Die Bücher sollten auf den Scheiterhaufen,
Und daß die Pergamente nicht verflossen,
Das danken wir dem grimmen Drachenschnaufen.

GUINEVERE: Im Gegensatz dazu, daß er belesen,
Bevor er loszog, um das Schwert zu heben,
Ist es bei euch ein Umkehrschluß gewesen,
Ihr kröntet mit dem Geisteswerk das Leben.

ENITE: Ich denk, sein Leben ist noch nicht am Ende,
Wir werden auf dem neuen Grund beginnen,
Wer zwiefach sich entledigt hat der Blende,
Braucht keinen vierten Akt sich zu besinnen.
(Zwei Regale schieben sich auseinander und ein breiter heller Sonnenstrahl dringt ein. Die Ritter legen die Bücher aus der Hand und wenden sich zum Gehen.)

ARTUS: Es scheint mir wenig höflich, wenn wir weichen,
Und sahn den Hausherrn einzig in Geschichten,
Wir haben doch zu danken manches Zeichen,
Das hilfreich ist für die Regierungspflichten.
Auch frag ich mich, ob diese Wissensbürde,
Ob das Kartell aus Hoffen und Versuchen
Nicht unsern Beistand nötig brauchen würde,
Den Bücher-Harem läßt man nicht Eunuchen.
Wer sammelt, steckt sein Herzblut in Bestände,
Die solln sich nicht in alle Welt zerstreuen,
Drum niemand wasch in Unschuld seine Hände,
Dems leichter fiel, ein Angebot zu scheuen.
Die Mauern sind sehr alt und ausgebessert
Ward lange nichts, vielleicht sind die Finanzen
Des Hausherrn auch ein Salz, das man gewässert,
Vielleicht veruntreun alles Gut die Schranzen.
Man müßte neue Sicherheiten geben,
Daß nicht der Zauber, ders gebracht auch nähme,
Auch wünscht ich, daß der Reichtum vieler Leben
Verwaltung, die verläßlich bleibt, bekäme.

EREC: Verlorn ist alles, was da treibt und brütet,
Auch Bücher müssen irgendwann zerfallen,
Den tiefern Sinn des ganzen Zaubers hütet,
Nur wer vermag den Wasserlauf zu ballen.
Kein Bauwerk, das nicht irgendwann geborsten,
Und keine Truhe, die vor Dieben sicher,
Das Ewige kann nur mit Flügeln horsten,
Die leichter als des Publikums Gekicher.
Treibt die Essenz zurück ins Lebensfrohe,
Entsteht ein neuer Stoff, ihn aufzuschreiben,
Drum ist allein Lebendiges die Lohe
Die Lohe der Vernichtung zu vertreiben.
Von Artus heißt es einst im hohen Tone,
Man schrieb von ihm, dies machte ihn nicht irre,
Das Buch ist nur ein Hornruf, daß es lohne,
Daß man die Zeichen wähl und wieder wirre.