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Aus »Erex saga. Parabel«.   Vers 62214 bis 62292

DRITTER AUFZUG. ERSTE SZENE


Im Schloß Mabonagrins, einer riesigen Bibliothek. Labyrin­thisch, die Regale verschieben sich eigenmächtig, und geben immer neue Blicke auf Bücherfluchten frei. In der Mitte Artus am Pult mit einem Folianten, im Hintergrund schläft die Königin auf einem riesigen Buch. Weitere Ritter in angestrengter Lektüre.


Artus, Erec, Enite, Iders.

ARTUS: Höchst wundersames Spiel, ich las soeben,
Ihr trätet ein, zwei Ritter und die Stumme,
Wer solches liest, der mag nicht länger leben,
Denn draußen in der Welt ist er der Dumme.

EREC: Der Dumme ja. Ich führe grimme Klage.
Mein Weib hat mich getäuscht und arg betrogen,
Daß eurer Richtspruch banne Schimpf und Plage,
Bin ich mit euerm Ritter hergezogen.

ARTUS: Ich bin nicht Herr in diesen hehren Mauern,
Die Bücher herrschen hier, wer sie geschrieben,
Gibts nirgends Hinweis, doch im Texte lauern,
Die Taten, die zu werden freigeblieben.
Drum lest! der Richtspruch und sogar die Buße,
Sind hier gebannt in sechsundzwanzig Lettern,
Da findet selbst der Törichste nicht Muße,
Nach eignem Sinn zu loben und zu wettern.

EREC: Ich glaub, den König hält man hier gefangen,
Mit einem Spuk im Auge und im Hirne,
Die Ritter scheinen tot wie aufgehangen,
Man hole Wasser für des Königs Stirne.

ARTUS: Ja Wasser, ja, der Brunnen wird uns lehren,
So sagen es die Jamben hier verläßlich,
Im fünften Auftritt wird die Sonne kehren,
So schrieb mans hier, für immer unvergeßlich.

IDERS: Wo ist die Königin? Auch bei Lektüre?
Sie hat Humor, den ich hier sehr vermisse,
Wie einen Fluch den Bücherstaub ich spüre,
Die Königin hat Sinn für das Gewisse.

ARTUS: Sie träumt in einem riesigen Folianten,
Weil ihre Augen müde und verwundet,
Mein Herz vertraut dem Geist, dem unbekannten,
Daß sie im Traume wahrsieht und gesundet.

EREC: Was sind das hier für Sachen? Hört ich lese
Euch laut, daß jeder hier den Schwachsinn merke:
Der wahre Dramaturg will Exegese
Und spielt mit seiner Zeit in jedem Werke,
Denn allem, was gesagt wird und getrieben,
Stellt sich die reine Möglichkeit zur Seite,
Und alle, die Verschwiegnes einzig lieben,
Sehn außerhalb der Tagtat das Gefeite.
Wie auch dem Held, der laut verklagt die Stumme,
Geflissentlich verschweigt, daß er gebetet,
Daß sie ihm folg und sich dazu vermumme,
So sag der Schrecken euch, was ihr erflehtet.

IDERS: Dies spricht gefährlich klar von unsern Dingen,
Der Autor scheint uns zuzusehn von oben,
Wenn alle Bücher wie Sirenen singen,
Bleib lieber ich beim ungebunden Groben.

EREC (schlägt das Buch zu und nimmt ein anderes):
Dies war ein Zufall. Werde wieder heiter,
Frappant zu sein, das reicht nicht zum Propheten,
Man mische Spinnweb, Krötengift und Eiter
Und danach wird der ganze Quark getreten.
Wer solches glaubt, der ist nicht mehr zu retten,
Der gute Wille, überall zu deuten,
Gibt dem Papier die Haltekraft von Kletten,
Was eingebildet, droht dich auszubeuten.

IDERS: Lies lieber vor als hilflos zu posaunen!
Du stocherst im Vermuten und Verdammen.
Hilf lieber, daß wir nicht in Ohnmacht staunen,
Denn nur der Angriff bringt was rinnt zusammen.

EREC: Nun gut, hier heißts im selben Silbenmaße:
Die Stummheit ist ein Vorspiel zum Verschwinden,
Doch fällt ins Schloß das helle Licht der Straße,
Wird sie der Kläger vom Gebot entbinden.
Drauf mach dir deinen Reim ich kommentiere
Es nicht mehr, weil ganz offenkundig blöde,
Mag Artus es gefalln, ich steh nicht Schmiere,
Denn dieses ganze Schloß ist mir zu öde.
(Enite ist plötzlich hinter den Büchern verschwunden.)

IDERS: Da, Erec, die Gefangne ist entwichen!
Ward da nicht vom Verschwinden grad gesprochen?
Kaum liest man hier ein Wort vom Füchterlichen,
Und schon ists als Geschehn hereingebrochen.

EREC: Ich finde sie, ich werd den Trug zerreißen,
Und alle Schleier auftun, die hier hängen,
So lange will ich nicht mehr Erec heißen,
Wie alle Wünsche ins Geheimnis drängen. (Ab.)

ARTUS (zu Iders):
Laß ihn nur gehn. Er muß allein studieren.
Die Welt ist groß, auch hier auf engstem Raume.
Die Pforten, die wir hier im Lauf passieren,
Stehn anderswo uns offen nur im Traume.
(Der Vorhang fällt.)