|
Aus »Der arme Heinrich. Miraculum«. Vers 60337 bis 60396 ERSTER AUFZUG. FÜNFTE SZENE Heinrich. HEINRICH: Nun also seis. Die blinde Dirne findet Das Licht der Engel und das Land den Erben, Wenn solcherart sich Welt dem Heil verbindet, Dann kann der Vater auch beruhigt sterben. Mich reizt es, die Vollendung anzuschauen, Ein Astloch in dem Tore zu der Kammer Wird mir den ganzen Anblick anvertrauen. Der Doktor schwingt wie Jove fast den Hammer. Mit festem Schritt verband er das Tradierte Und fügt sich dem Erkannten unverdrossen, Ein neues Licht erstrahlt uns im Gevierte, Wenn sich die Denker so zusammenschlossen. (Er schaut durchs Astloch.) Die Bluse knöpft sie auf, die blonden Haare Hat sie zu einem hellen Kranz verflochten, Und weiß wie Schnee ist ihre weiche Bahre, Sie wird vom Alter fürder nicht befochten. Sie stellt die Schuhe sorgsam in die Ecke, Die Strümpfe streift sie leicht wie lenzne Winde, Der Doktor ist bereit, daß er sie wecke, Der Rock – ach, daß mir alle Sehkraft schwinde! Ich reib das Aug, so ist ja nicht zu fassen Die Lieblichkeit der aufgeblühten Wangen, Fast muß ich Zeit und ihre Eile hassen, Wenn strahlend ihre jungen Brüste prangen. Sie legt sich hin, an Anmut nicht zu messen, Sie schmiegt sich auf den Tisch wie die Liane, O welch ein Bild! Wer könnte es vergessen? Solch holder Mut, der siedelt nah am Wahne! Sie öffnet ihr Lippen, um zu hauchen Stoßweis, sie ist gerötet vor Entzücken, Die Finger, fein und bald nicht mehr zu brauchen... Hört sie die Engel schon mit ihren Glücken? (Pause. Er sinnt und schaut.) Die Klinge in des Doktors Hand mir blinzelt, Sie schickt ein Licht herum in alle Ecken. O nicht ein Opfertier, das blökt und winselt, Wie steigert sich der Mensch mit seinen Zwecken! Ein leichter Schnitt, Präludium uns zum Heile! Ein rotes Rinnsal auf dem weißen Leibe, So schön war nie ein Traumbild! O verweile! Noch heftiger ich mir die Augen reibe. Doch, ach, wird dieser Spiritus zu heftig? Der Endlos-Schärfer uns verdirbt die Klinge? Der Doktor, der mal sinnend, mal geschäftig, Erscheint mir wie der Fuchs in einer Schlinge... Und böse Bilder nagen mir am Herzen, Ich seh das junge Blut im Grab verrotten, Die Würmer ihre weißen Schenkel merzen, So wie ihr Kleid die fraßentschloßnen Motten. O nein, die Kunst, die solchen Weg beschreitet, Ist ganz verrucht und kann mir niemals frommen! Drum sei dem Treiben rasch ein End bereitet, Eh wir gemeinsam in die Hölle kommen. (Er schreit laut, reißt die Tür auf.) Schluß! Ende hier! Ich stehe und befehle, Den Opfer-Spuk zur Gänze abzubrechen, Wenn dieser Dolch noch näher kommt der Kehle, So säum ich nicht, den Doktor abzustechen. Ich zahle keinen Heller für die Bande, Ich wende mich von diesem Teufelsbuhlen, Ich melde dies als ketzerische Schande Und laß verfolgen alle Magierschulen! (Er geht ab. Es wird mit einem Schlag dunkel.) |