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Aus »Der arme Heinrich. Miraculum«. Vers 60934 bis 60981 DRITTER AUFZUG. ZWEITE SZENE Vor dem Vorhang. Priester, später Heinrich. PRIESTER: Das Haus am Wald, es ist ja für die Sünde Recht gut plaziert, so fern von meinen Schafen, Denn wenn es mitten grad im Dorfe stünde, So wüßten gar die Frömmsten nichts vom Schlafen. Wir an der Kirche, jene bei den Tannen, Das könnte gutgehn, gäbs nicht Übergriffe, Und wenn die ein gewisses Maß gewannen, So wird es ungemütlich in dem Schiffe. Der Orgelspieler geigt auch manchmal draußen, Ich bräuchte das nicht unbedingt zu wissen, Doch wenn da Boten nachts durch Gassen sausen, So wird der Schlaf vom Stechinsekt gebissen. Ich kann nicht dulden, daß die Sündenkuhle Grad wie Frau Percht die Grenzen überschreitet, Da fordert wer den Geiger für die Buhle, Und schon wird meine Herde fehlgeleitet. (Er stößt an ein Seil, schaut nach oben, und bemerkt verwundert, wie Heinrich zu ihm herabgleitet.) Der Morgen, junger Mann, ist voller Wunder, Ich dachte doch, im Haus gäbs eine Stiege, Erscheint euch solch ein Auswärtsgehn profunder Oder kommt Scham nun auf nach leichtem Siege? HEINRICH: Die Obrigkeit besucht im Erdgeschosse, Drum hab ich diesen Ausweg vorgezogen, Wo hohe Leut verhandeln mit dem Trosse, Ist man dem Störer keineswegs gewogen. PRIESTER: Ihr macht mich lachen. Von dem hohen Berge Seid ihr der Prinz. Ist drin etwa der Kaiser? Heut halten sich die Landesherrn für Zwerge, Ich glaub, ich werd in dieser Welt nicht weiser. Doch sagt mir, eure Krankheit ist geschwunden, Wer hat gefunden das gesuchte Mittel? Ihr habt euch, hoff ich, nicht erneut verbunden Mit jenem Satanas im weißen Kittel? HEINRICH: Da sei Gott vor. Der Aussatz ist geschwunden, Als ich die Liebe traf in diesem Hause. Ich merkte nichts, doch plötzlich warn die Wunden Verflogen wie ein Kater nach der Sause. Doch größres noch hat Gott im Liebesglücke Vollzogen, denn der Wirtin blindes Mündel Ward sehend, um zu schauen, was mich schmücke, So ward aus einem Glück ein ganzes Bündel. PRIESTER: Bei solcher Botschaft kann ich kaum noch schelten Die Kupplerin für nächtliche Exzesse, Mein Sprengel wär die beste aller Welten, Vollzög sich solches einmal bei der Messe. Ich werde schaun, was dieser Tag noch bringe, Euch rat ich, nicht zu weithin fortzuwandern, Denn mir erscheints, als lös sich eine Schlinge, So findet endlich jegliches zum andern. (Heinrich ab.) |