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Aus »Der arme Heinrich. Miraculum«. Vers 60802 bis 60881 ZWEITER AUFZUG. SIEBENTE SZENE Heinrich, Margarete. HEINRICH: Ein hartes Wort belastet unsre Liebe. Was mußte ich so unwirsch ihn bestechen! MARARETE: Die Schuld getrost auf seinen Eifer schiebe, Verteidigung ist niemals ein Verbrechen. Ich muß dich anschaun, Liebster, komme näher, Ich will dich ganz im Innersten begreifen, Wie Zirbenzapfen für den Eichelhäher, Ist mirs, durch alle Windungen zu streifen. (Sie greift ihm mit gespreizten Fingern ins Gesicht, befühlt alle Partien, während er die Augen geschlossen hat.) Du bist so schön. Grad wie ich träumend dachte, Die Brauen herrisch, und die Nas noch kecker, Doch als der Herr dir deine Lippen machte, Da war der Apfel nicht nur süß und lecker. Ein leises Weh, das nicht zu unterdrücken, Zieht beide Winkel hart und mischt ins Linde, Ein Warnwort, das mein taumelndes Entzücken Zum Ranken macht wie eine Trichterwinde. Denn ich gewahr nicht schattenfreie Größe, Du hast gelitten und das Leid bezwungen, Ich glaub, dies bringt mehr Segen in die Schöße Als pures Gold, das ohne Dämmerungen. HEINRICH: Du bist verliebt, drum siehst du, was zu sehen Du wünschst und nicht die Pusteln und die Flecken, Ließ nicht dein Herz die Nüchternheit vergehen, Du würdest vor der kranken Haut erschrecken. Doch will ich nicht von meinen Narben sprechen, Und Dunkles mischen in die hellen Worte, Es redet nimmermehr von den Gebrechen Der Adler, der gelandet ist im Horte. (Er küßt sie.) MARGARETE: Wie ist mir? Dieser Kuß, ach, diese Lippen, Vom Lebensborn zu trinken ist nicht holder, Ich spür die Bank, die Hüttenwände wippen, O meines Himmels trunkener Vergolder! (Sie springt auf, schlägt sich die Hände vors Gesicht.) Es ist so hell, so lohend wie im Feuer, Die Dinge stürzen auf mich ohne Gnade! Weh mir! Der Ansturm ist so ungeheuer! Ich glaub, ich nutz die Wanne mir zum Bade! (Sie springt mit den Händen vor Augen ins Wasser.) HEINRICH: Was tust du, Gretchen, ist dir schwarz vor Augen? MARGARETE: Nein heller als es je zuvor im Leben. Ich wußte nie, wozu die Wimpern taugen, Jetzt weine ich und will mich nicht erheben. HEINRICH: Komm aus der Wanne, laß dich trockenreiben, Eh du mir frierst und krank wirst an dem Eifer, Du mußt, mein Engel, mir erhalten bleiben, Denn meinen Sommer macht kein Tag mehr reifer. MARGARETE (während er sie mit einem Tuch umschlingt): Nun muß ich wohl die nassen Sachen lassen. Es ist so hell. Ich will mich selber sehen. Such nebenan den Spiegel dir zu fassen! Ich denk heut gar nicht dran noch auszugehen. (Heinrich ab. Sie läßt unter dem Tuch die Kleider fallen.) HEINRICH (kommt mit dem Spiegel): Was willst du anschaun, meine wilde Liebe? MARGARETE: Ich war von klein auf blind und ohne Sonne Und dachte stets, daß dies mir immer bliebe, Nun freue ich mich an der eignen Wonne. Dein Kuß vollzog die unverhoffte Wende, Mir wurde feurig heiß und angst und bange, Jetzt nehm ich ohne Scheu hinweg die Hände, Und schau dich anders, doch vertraut schon lange. HEINRICH: Als blindgeboren konntest du nicht wissen, Daß mich der Aussatz ekelhaft entstellte, Nun wirst auch du vom Drachenzahn gebissen, Und alle Liebe wandelt sich in Kälte. MARGARETE: Was redest du? Es lacht gesunde Röte. Frag diesen Spiegel, ob ich dich belogen! Du atmest rein. Daß mich der Blitzschlag töte, Verlang ich, zeigt der Prüfer dich betrogen. (Sie hält ihm den Spiegel vors Gesicht.) HEINRICH: O weh! Die Wunder jagen ihresgleichen. Es ist ein Traum, Alfanus wird mich wecken. Doch wenn auch! Die mir solche Krüge reichen, Sie sollen auch den heimlichsten entdecken. Wer so beschenkt wird wie wir beide heute, Der nimmts und läßt im Kelche keine Neige, Eh morgens mürrisch kommen fremde Leute, Den ganzen Reichtum deines Leibes zeige! (Er umschlingt sie wild und küßt sie. Das Licht auf der Bühne wird langsam schwächer und erlischt ganz. Nach einer Weile hört man wieder die Geige.) MARGARETE (singt): Die Nachtigall singt niemals auf dem Baume, Der nicht der Hasel, denn dort kommt der rechte, Wenn du ihn einmal angeschaut im Traume, So hoff und harr, daß ihn der Himmel brächte. Dir ist bestimmt ein Los, ein Heil, ein Friede, Und alles kommt zusammen mit der Minne, Drum singe stets, erkenne dich im Liede, Darin sichs reimt am End und am Beginne. (Vorhang fällt.) |