|
Aus »Der arme Heinrich. Miraculum«. Vers 60682 bis 60741 ZWEITER AUFZUG. FÜNFTE SZENE Heinrich, Margarete. HEINRICH: Die Kupplerin will nicht vergessen werden, Wenn wer sich liebt, meint sie, sie hätts erfunden! Was für ein Pech, daß dieser Platz auf Erden Nicht einzger ist für süße Schläferstunden! Doch wenn ich auch den frechen Anspruch pöne, Es ist ihr Haus, drein mich Alfanus winkte. Wer hätte auch gedacht, daß sich die Schöne Bereithält, wo die rote Lampe blinkte? MARGARETE (abgehetzt): Umsonst. Es gibt kein Mittel, ihn zu wecken! Er schläft, grad so, als deckten ihn Granite, Nur eine Eule konnt mein Lärmen schrecken, Vielleicht auch manchen, der bewacht die Sitte. HEINRICH: Ach, hätten euch gehalten meine Arme, Zwar ist Musik euch wohl wie alle Kleider, Doch brauchts kein Überhöhn, wo eure warme Gestimmtheit weckt im Engelschor den Neider. Selbst wenn ihr schweigt, seid ihr die Violine, Und seit ich euer blaues Aug getrunken, Bin ich gar wie im Löwenzahn die Biene In eine Sphäre aus Gesang versunken. MARGARETE: Ihr lobet Bilder, deren Böden doppelt, Und manches schreckt, was ich von weitem ahne, Ich bin kein Has, der vor dem Jäger hoppelt, Drum sagt: Was wollt ihr nun im Löwenzahne. HEINRICH: Mir kam der Wille innerlich abhanden, Ich bin so selig, daß ich nichts entbehre, Ich falle und ich hoff, ich werd nicht landen. Ein langer Faden lechzt nach einer Schere. MARGARETE: Schaut wie der Mond sich grad vom Wolkenrande Ins Offne löst zu ungebremstem Strahlen! Zu solchen Künsten sind wir nicht imstande, Wir können keine solchen Bilder malen. HEINRICH: Vollendetes im Himmel und auf Erden, Wir meinen oft, es fehlte dem an Dauer, Jedoch die Zeit, das Zugpferd für das Werden, Liegt einzig im Betrachter auf der Lauer. MARGARTE: Ihr meint, es wär nur unsre eigne Schwere, Wenn Blumen welken und von Stoppelfeldern Die Vögel fliehn, daß sich der Baum entleere, Wenn der November hofhält in den Wäldern? HEINRICH: Es kann so sein, denn hinter allem Scheinen, Mit dem wir unsre Dürftigkeit bedecken, Kopfschüttelt Gott bei unserm dummen Weinen, Nur äußerlich berühren Schmerz und Schrecken. Dann aber, wenn das Herz so voll und trunken, Zerreißt der Schleier aus Verfall und Wechsel Und läßt die Lippen in den Odem tunken, Dem ich kein Bild aus dürren Versen drechsel. MARGARETE: Du singst und machst das Hören hell und selig, Wenn mein Vibrieren kehrt aus deinem Lauschen, Solch ein Gesang ist immer doppelkehlig Und gibt sich nur im doppeltfrohen Tauschen. HEINRICH (legt seinen Arm über ihre Schultern): Dies ist der tiefste Auftrag, der dem Pfade Zugrundeliegt, den wir durch Zeit mäandern, Und er allein die Krümmung macht gerade, Daß wir am Ziel von allem Welten-Wandern. MARGARETE: Ich will dir ganz und unverzagt gehören, Denn ich erkenn dich als seit je Bestimmten, Ich kannte dich schon in den Engelchören, Bevor die ersten Erdenwinter grimmten. |