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Aus »Der arme Heinrich. Miraculum«.   Vers 60550 bis 60617

ZWEITER AUFZUG. ZWEITE SZENE


Heinrich, Margarete.

HEINRICH: Dies war zu viel. Was sind das für Manieren?
Grad so, als wollt sie mich im Sturm vernaschen,
Erst eins, dann zwei, am Ende wohl zu vieren?
Ich will mir erst mal meine Hände waschen.
(Geht zu einer Wanne und wäscht die Hände, lacht.)
Grad so in Unschuld wie des Landes Pfleger?
Die haben Öl, als tropfte es vom Dache,
Niemals zuvor sah ich die Lampen reger,
Sie auszulöschen scheint hier niemands Sache.
Das rote Licht ist wohlfeil wie die Geige.
Ist dies ein Haus der Geister, der Dämonen?
Nun, irgendwann geht jede Nacht zur Neige,
Und besser ist es als im Wald zu wohnen.
(Man hört erst fern, dann näher die Geige.)
So furchtbar ist sie nicht und das Gefasel
Gemahnt mich seltsam an die Kinderzeiten.
Was sang der Sänger vom Gedicht des Hasel?
Ich höre wen in meine Nähe schreiten.

MARGARETE (nicht zu sehen, singt mädchenhell):
Die Nachtigall singt niemals auf der Eiche,
Sie lockt das Glück auf einem Haselaste,
Wer lieben kann, der sorg, daß sie nicht weiche,
Wo Mond weiß, daß die Nacht zu kurz dem Gaste.

HEINRICH: Was ist das für ein selig sanftes Wiegen,
Gesang, der mich zersprengen läßt die Kruste,
Solch Streicheln könnte Drachengrimm besiegen,
Von solchem Singen ich bis heut nichts wußte.

MARGARETE: Die Nachtigall singt niemals auf der Esche,
Sie zwingt die Hörer auf dem Haselzweige,
Heut tanzt die Maid, doch morgen gerbt sie Wäsche.
Wer wünschte nicht, daß sich die Stimme zeige!

HEINRICH: Oja, o komm aus deinen Finsternissen,
Und laß mich einen scheuen Blick erhaschen,
Du hast mich aus dem tiefen Schlaf gerissen,
Mit Gold bestreut, das nimmer abzuwaschen.

MARGARETE: Die Nachtigall singt niemals auf den Rüstern,
Sie hat im Hasel Bühne und Zuhause,
Erst tönt sie hell und endlich wird sie flüstern,
Und wer sie flieht, bleibt ewig ein Banause.

HEINRICH: Ich liebe dich, ich fleh um Christi Leiden,
Komm aus dem Dunkel in die helle Stube,
Ich möchte meine Knechtschaft dir beeiden,
Solang die Sense nicht bestimmt die Grube.

MARGARETE (zeigt sich auf der Türschwelle):
Die Mutter sprach, ich solle prüfend schauen,
Ob alles sei dem Gaste angemessen,
Wir wollten längst das Haus hier größer bauen,
Doch die Dukaten sind rasch aufgegessen.

HEINRICH: So tretet doch herein, so rasch zu sagen,
Sind meine Wünsche nicht und meine Sorgen,
Ich dacht ja bislang nur an den Magen,
Auch ist kein Nachbar da, um was zu borgen.

MARGARETE: Das tu ich gern, der Kelch ist leer, vom Weine
Nahmt ihr noch nicht genug nach diesem Staube,
Auch leg ich Holz nach, denn auf nacktem Steine
Hat auch das Feuer nimmer Mut und Glaube.
Auch ist das Öl der Ampeln aufzufüllen,
Zerdrückte Kissen hab ich aufzuschütteln,
Die Luke schließ ich, daß das Nachwind-Brüllen
Nicht anschwillt, euch im Schlafe aufzurütteln.
(Sie tuts.)

HEINRICH: Wer lehrte euch so singen, daß die Seele
Meint, alle Fesseln würden ihr zerspringen?
Ich hab nicht Scham genug, daß ich verhehle,
Ich hörte euch gern immer weiter singen.

MARGARETE (stutzt, dann verlegen):
Der Nachtigall hab ich gelauscht im Lenze,
Der Mensch, der singt, will ganz dem Vogel gleichen,
Und wirklich, dieser Wunsch bezwingt die Grenze,
Die Schwere bannt aus diesen Flügelreichen.
Ich werde gehn und unsern Geiger bitten,
Daß er mir wieder anstimm seine Weise,
Ich hoff, er ist noch nicht zu weit geschritten,
Denn nach dem Dorfe führte seine Reise.
(Sie geht hastig ab. Der Vorhang fällt.)