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Aus »Der arme Heinrich. Miraculum«.   Vers 60485 bis 60549

ZWEITER AUFZUG. ERSTE SZENE


Ein Holzhaus, man schaut in die Stube im Erdgeschoß. Über­all Polstermöbel mit Kissen, die von rötlichen Ampeln beschie­nen werden. Man hört eine sentimentale Melodie und weibliche Seufzer. Zu sehen ist niemand.


Heinrich, Martha, Geiger.

HEINRICH: Dies ist das erste Haus an meinem Wege.
Verrucht scheints mir, grad alles riecht nach Sünde.
Undenkbar, daß ich mich hier schlafen lege!
Begreif den Weisen wer und seine Gründe!
Die Pforte offen, so als würd man warten
Auf späte Gäste oder nächtens Irre.
Nun also reih dich ein bei den Genarrten!
Frommt Klarheit nicht, so fromme mir das Wirre!

MARTHA (tritt im Kleid mit roten Rosen auf):
O junger Mann, nicht spät, ihr seid zu frühe,
Der Mond noch zögert, hell sich aufzuschwingen.

HEINRICH: O bitte keine Umständ, keine Mühe,
Man hieß mir, hier die Nachtstund zu verbringen.

MARTHA: Oja ganz recht, dies ist der rechte Hafen,
Vom Philosophen-Weltei ists das Gelbe,
Wer hier hereintritt, um sich auszuschlafen,
Der ist am Morgen nimmermehr derselbe.
Ich hole Wein aus meinem Felsenkeller,
Legt ab und laßt euch in das Polster sinken,
Ich war in meiner Jugend einmal schneller,
Ich hol auch Eier, weißes Brot und Schinken. (Ab.)

GEIGER (tritt mit ein paar Akkorden auf):
Ich spiele euch von allen Paradiesen
Und zeige euch die Harmonie der Sphären,
Der Zwerg wird im Gegeig zum Seelenriesen,
Ein größres Glück kann keine Kunst gewähren.
(Nach einem Vorspiel beginnt er zu singen.)
Die Nachtigall singt niemals auf der Buche,
Sie schlägt die Lieder gern im Haselbusche,
Sie schweigt bei ihrer hoffnungsfrohen Suche
Und auch, daß niemand ins Revier ihr husche.

MARTHA (kommt zurück, der Geiger bricht ab):
So laßt euchs schmecken, laßt den Staub der Straße
Zerwehn wie einen schlechten Traum am Morgen,
Kaut gut und spürt wie sich in selbem Maße
Zerstreun die Kümmernisse und die Sorgen.

HEINRICH: Ich bin ein Pilger, krank und ohne Güter,
Es ist nicht recht, mich haltlos zu verwöhnen,
Am Ende grünt die Galle die Gemüter,
Daß ich nicht reich, die Kosten zu versöhnen.

MARTHA: Seid sorglos, daß wir böse Habgier zeigen,
Gebt, was ihr könnt entbehren und verwinden,
Uns ist nun mal die große Geste eigen,
Wir werden drum den armen Gast nicht schinden.

GEIGER (singt erneut):
Die Nachtigall singt niemals auf der Tanne,
Sie hält es lieber mit der Haselgerte,
Der Lauscher ward in dieser Nacht zum Manne,
Daß auch die Maid nur seufzend sich beschwerte.

HEINRICH (läßt den Geiger mit einer Geste verstummen):
Mir scheint, hier zieht ein Teufel die Register,
Mir schwant da Ärger, ein Skandal-Erwachen,
Der Schultheiß oder selber der Minister,
Sie werden diesem Spuk ein Ende machen.

MARTHA: Was ist so arg, wenn ein paar nette Reime
Das Herz erfrischen und den Puls bewegen,
Es ist so einsam hier in meinem Heime.
Wollt ihr euch wirklich gleich zur Ruhe legen?

HEINRICH: Zu Ruhe? Ja, an Ruh ist nicht zu denken,
Hier geht es zu wie grad im Taubenschlage,
Ich wollte mich in mein Gebet versenken,
Weshalb ich keine Ballmusik ertrage.

MARTHA: Nun gut, wir gehn, wenn wir euch unerträglich,
Wir warn bestrebt, den Abend zu vergolden,
Die Sehnsucht nach Musik erreicht uns täglich,
Denn alle Welt sucht nach dem nächtlich Holden.
Doch wer gehetzt, vermags nicht zu begreifen,
Der Wein wird euch auf weiße Wolken betten,
Und später werden weitre Wünsche reifen,
Ich möchte drauf mein Seelenheil verwetten.