Willkommen

Lebenslauf

Aktuell

Werke

Publikationen

Audio

Leserstimmen

Besucherbuch

Impressum
 
vorige Szene nächste Szene

Aus »Engelhard. Treuepistel«.   Vers 59011 bis 59127

ERSTER AUFZUG. ZWEITE SZENE


Engelhard, Rhydian.

ENGELHARD: Den Vaterlosen hat die Apfelprobe
Verworfen, doch ich spür, die Zeit gegeben,
Wenn ich erneut mit solcher Gabe lobe,
Dann tritt der echte Ferge in mein Leben.
Dort trabt gen Nord ein Mann auf schwarzem Rappen,
Ich will ihn nicht zu heftig überholen,
Nicht Übermut sei Lehr aus meinen Schlappen,
Erkenntnis kommt auf seidenweichen Sohlen.
(Rhydian erreichend):
Dem Herrn befohlen Gruß, o edler Ritter,
Ihr reitet auch nach Nord, wenn ich nicht fehle?

RHYDIAN: Euch Frieden auch, ich glaub, so sagt kein Dritter,
Seit Tagen sah ich keine Menschenseele.

ENGELHARD: Saht ihr nicht einen Rastenden am Raine?
Er schmorte sein Erlegtes schon recht lange.

RHYDIAN: Ja, manchmal zeigt sich uns im Sonnenscheine
Der Wunsch so leiblich, daß uns angst und bange.

ENGELHARD: Was meint ihr, daß ich wünschte wie im Wahne?

RHYDIAN: Die Einsamkeit ist bitter zu ertragen.
Die Treu tut gut. Wer nicht die Wetterfahne
Im Wappen führt, dem lohnt sichs, was zu wagen.

ENGELHARD: Ich komme aus Burgund, mein Vater waltet
Auf kleinem Gut, und der Geschwister viele
Verfügten, daß der Wunsch nicht mehr erkaltet,
Im fernen Land zu suchen sich die Ziele.
Aus welchem Reiche seid ihr hergezogen?

RHYDIAN: Von Engeland, wo Schiffe groß wie Wale
Bereitstehn für der Nordsee Drachenwogen.
Bloß meins ist schon gestrandet im Kanale.
Ich wachte auf in einer Bauernhütte,
Sah fußwegs manche Burg und manchen Meier,
Damit mein Ruf sich nicht noch mehr zerrütte,
Gab ich mich preis bei einem Geldverleiher.
Für Pferdehändler und die Rüstungsschmiede
Warn die Lakaien längst davongelaufen,
Ich übte mich, damit ich baldigst schiede,
Ein Minimum des Adels einzukaufen.
Nun fahre ich gen Dänemark, wo lange
Man aufgab, auf den Säumigen zu warten,
Doch ärger führt Erinnerung die Zange,
Ich schweige lieber vor dem wirklich Harten.

ENGELHARD: Dann fahrn wir auf demselben Weg. Fruote,
Der Dänenkönig, gilt als großer Mehrer
Der Ritterschaft.

RHYDIAN: Da bin ich froher Bote,
Er ist mein Oheim, daß ihr sein Verehrer,
Gefällt mir, und ihr habt bei mir gewonnen.

ENGELHARD: Glückliche Fügung, daß wir uns begegnen!
So viel des Wassers ist zum Meer geronnen!
Nun mußte Vater meinen Abschied segnen.

RHYDIAN: Ich seh, die Sonne sinkt. Wir wolln ein Lager
Uns schaffen für die Nacht aus dürren Zweigen.
Es braucht nicht viel, wir sind ja beide mager,
Auf daß uns bald die Grillen traumhin geigen!
Wir träumen, daß wir wohlgesättigt wären,
Aus Lammfell wär der mondgebleichte Rasen...

ENGELHARD: Ein Feuer wär für Wölfe gut und Bären,
Auch wenns nicht duftet nach gebratnen Hasen.

RHYDIAN: Das Feuer schreckt die Wölfe, doch die Diebe
Lockts an, die sind in solchen Sommernächten
Viel frecher, darum tut mir doch die Liebe,
Sorgt bei Problemen erst euch um die echten.

ENGELHARD: Ihr seid erfahren in den Abenteuern,
Doch wundert mich, daß ihr so ganz alleine
Durch Reiche reist und fern von allen Feuern
Die Mähre quält und eure eignen Beine.

RHYDIAN: Mein Freund ist tot, ich wich von seiner Stelle,
Er ist mir in der Unglücksnacht ertrunken,
Mein Feuer schuf dem Strand die Sonnenhelle,
Seit er nicht kam, verfluch ich jeden Funken.

ENGELHARD: Ich dacht, ein Bauer zog euch aus dem Meere?
Sprecht klarer, daß die Einfalt werde schlauer!

RHYDIAN: Dies tat ich selbst, er hatte nur die Ehre,
Zu zerrn mich aus der Ohnmacht meiner Trauer.

ENGELHARD: Ihr denkt von Freundschaft grad in meinem Sinne,
Gott ließ euch leben, daß er weiter prüfe –
Meint ihr nicht, daß zu solchem Neubeginne
Er den Gefährten eurem Schicksal schüfe?

RHYDIAN: Was Gott begehrt, wer kann es ehrlich wissen?
Doch sagt mein Herz, mit euch ist gut zu wandern.
Ich fürcht schon jetzt, ich könnte euch vermissen,
Denn so viel Nähe fand ich nicht bei andern.

ENGELHARD: Ich möchte euch was schenken aus dem Garten
Des Vaters, einen Apfel, rot und kräftig.
Nicht hungrig sollt ihr diese Nacht erwarten.
Beißt frisch hinein. Der Magen sei geschäftig.

RHYDIAN (betrachtet andächtig den Apfel):
O Wunder! O wie von den Hesperiden!
Man sagt mit Recht, Genießer sein Burgunder.
Daß solches meinem müden Aug beschieden,
Ist an für sich ein unerhörtes Wunder!
Ich kann nicht nehmen, was ihr zu verspeisen
Mir darbringt, ja, ich müßte dran ersticken,
Die Frucht gemahnt mich an den Stein der Weisen,
Die schönste Blume darf der Knab nicht knicken.

ENGELHARD: Tut, was ihr meint! Ich werd zurück nicht nehmen,
Was ich verschenkt hab. Nie, bei meiner Ehre!
Zwei Wege gibts: den rechten, den bequemen –
Nun sagt nicht, daß die Wahl ich euch verwehre!

RHYDIAN: Erlaubt mir also, weiter zu verschenken
Die Gabe, die für würdigere Hände
Bestimmt ist und ihr mögt mir nicht verdenken,
Daß niemals mein Gebiß das Kleinod schände.

ENGELHARD: Wem wollt ihr meine Gabe weiterreichen?

RHYDIAN: Ich bring das Paradieskind meiner Base,
Als Kind war sie ein Engel ohnegleichen
Und zart und scheu wie eine Seifenblase.
Fruote war mit ihr im Engelande –
Ach, wäre dort geblieben Engeltrude!
Ich litte nicht die Fremde und die Schande,
Und meinen Pfandbrief hielte nicht der Jude!

ENGELHARD: Es ist schon recht, das Heil lieg auf dem Hause
Fruotes und auf Frodehild, der treuen,
Jedoch mein Herz erträgt heut keine Pause,
Drum muß die Nacht dich ganz alleine freuen,
In einem Tal nicht fern liegt die Kapelle,
Darin Marie mir einmal schon erschienen,
Ich fühl im Herzen ihre dunkle Helle
Und mein, ich muß ihr unverzüglich dienen.