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Aus »Engelhard. Treuepistel«.   Vers 59762 bis 59837

DRITTER AUFZUG. ZWEITE SZENE


Engelhard, Merlin.

MERLIN: Ihr kennt mich nicht? Es trifft der Apfelschenker
Nicht wahllos Leute auf der weiten Reise,
Er trifft den Bruder und vielleicht den Henker,
Und alle auf die vorbestimmte Weise.

ENGELHARD: Wie kamt ihr her? Verläßlich sind die Wachen,
Selbst eine Maus hätts schwer in die Gemächer.
Was redet ihr? Was deutet ihr für Sachen?
Seid ihr der Bote mit dem Schierlingsbecher?
Seid ihr ein Engel oder Geist des Bösen?
Bin ich verwirrt und leide Wahngesichte?

MERLIN: Ich komme, einen Knoten aufzulösen,
Den fest geschürzten einer Mordsgeschichte.

ENGELHARD: Ein Mord?

MERLIN:                 Bekanntet ihr nicht eben
Ihr hättet Rhydian hinterrücks gemeuchelt?
Doch irgendwann beginnt der Tag im Leben,
Da auch der Unverfrornste ausgeheuchelt.

ENGELHARD: Ihr seid nur ein Gespenst, ein Kinderschrecken,
So wirklich wie der vorgetäuschte Braten,
Ihr möget Morde, wo ihr wollt, entdecken,
Doch ich war nicht dabei bei diesen Taten.

MERLIN: Dabeizusein hat man ja seine Leute,
Wer König sein will, darf nicht selber fechten.
Der Teufel kriegt den anderen Beute,
Und selber ist man stets bei den Gerechten.

ENGELHARD: Der Teufel schickt euch. Also werd ich beten,
Daß dieser Spuk verschwinde aus dem Zimmer,
Ihr mögt als Geist durch Flur und Wände treten,
Der Heiland doch verjagt den Hexer immer.

MERLIN: Dann betet gut! Und auch für Dietrichs Seele!
Der Leib ist längst des Teufels Maskerade,
Auch seiner Wohnung Pfuhl ich nicht verhehle,
Dafür sich ja der Herzog nicht zu schade.

ENGELHARD: Was ist mit Dietrich?

MERLIN:                 Aussatz im Gesichte!
Die Burg ist leer, die Herde ohne Schäfer!
Die Wildnis schützt ihn vor dem Himmelslichte,
Er lebt im Unrat wie ein Waldmistkäfer.

ENGELHARD: Die Übertreibung stinkt ja bis zum Giebel!

MERLIN: Hab jemals ich in eur Gesicht gelogen?
Und wenn ihr zweifelt, fragt getrost die Bibel
Ob diese Strafe völlig überzogen.

ENGELHARD (steht auf, läuft umher):
Wo ist er?

MERLIN:                 Lieber fragt, wie er zu retten!

ENGELHARD: So denn?

MERLIN:                 Unschuldig Blut, das kindlich freie,
Zerreißt, wenn es ihn netzt, die Aussatzketten.

ENGELHARD: Welch Kind?

MERLIN:                 Mein Herr, ihr habt der Kinder zweie.
Und doppelt hält, so weiß das Sprichwort, besser,
Auch stirbt sichs leichter in geschloßner Reihe.

ENGELHARD (nimmt sein Schwert):
Ehr stürze ich das eigne Herz ins Messer.

MERLIN: Unschuldig ist das grade nicht, die Lüge
Erhalten noch am Totenbett, o Meister,
Daß einer so gewissenlos betrüge,
Da schauderts, mit Verlaub, sogar die Geister.
(Engelhard schlägt nach Merlin ins Leere.)
Ich bin gewohnt erbärmliches Betragen,
Die Wahrheit ist ja meistens unwillkommen,
Doch sagt mir nun: Was soll ich Dietrich sagen,
Was wird zu seiner Rettung unternommen?

ENGELHARD (nach einer Weile):
Unschuldig Blut? Ist Rhydian schuldlos blutig?

MERLIN: Wenn er vergibt, die Heilung könnt geschehen.
Ich bin bei der Behauptung ziemlich mutig,
Im Zauberbuche ists nicht vorgesehen.

ENGELHARD: Ich wills versuchen, wirds den Freund nicht heilen,
So wird des doch die Macht der Lüge brechen,
Gleich morgen werde ich zu Rhydian eilen
Und wahrhaft über Schuld und Sühne sprechen.

MERLIN: Nicht nötig aller Umstand. Vor der Türe
Schon wartet Rhydian, daß ich bitten lasse,
Vergeßt nicht, daß die Krone ihm gebühre,
Und daß es allzumenschlich, daß er hasse.
Gelingts euch nicht, zum Werke ihn zu führen,
Erlaubt, daß meine Kunst ihn überzeuge,
Ich kenne die verborgnen Seelentüren,
Und auch den Preis, daß sich der Wille beuge.