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Aus »Engelhard. Treuepistel«.   Vers 59391 bis 59486

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Engelhard, Engeltrud unter einer Linde.

ENGELHARD: Ich bin zurück von weiten, wilden Fahrten.
Ich bringe die versprochenen Trophäen.

ENGELTRUD: Ach, Engelhard, im Walde und im Garten
Weiß keiner recht, ob nur die Tiere spähen!

ENGELHARD: Das sorg dich nicht. Von einem Kammerherren
Erwartet man, daß er dein Wohl beschütze.

ENGELTRUD (lacht):
Er will die Tochter nicht ins Kloster sperren
Und hoffen, daß es ihrer Bildung nütze!
(ernst):
Es war nach Mutters Tod sehr lieb vom Vater,
Dich mir zum Trost als Kammerherrn zu weisen,
Und allzuneu ist nicht, daß Katz und Kater
Ausschließlich nicht die Himmelsscharen preisen.
Ich denk, er ahnt schon lang, daß ich dich liebe,
Auch wenn er nicht beim ersten Blick zugegen.
Ich sah dich reiten, und mit einem Hiebe
Spürt ich den Arm sich um die Schultern legen.

ENGELHARD: So heftig? Es war Dietrich, der das Schweigen
Gebrochen, da sich unsre Augen fanden.

ENGELTRUD: Ich durfte die Erregung ja nicht zeigen,
Doch kam mir meine Fassung so abhanden,
Daß ich sofort geflohn bin, um zu träumen
In meiner Kammer und ein Lied zu singen,
Auch darf ich schluchzen in den eignen Räumen,
Das Kissen und die Decke fest umschlingen.

ENGELHARD: Der König wird die Minne nicht verwehren,
Mir ist er hold und gnädig jeder Bitte.

ENGELTRUD: Vielleicht! Doch erst, wenn du so reich an Ehren,
Daß leidlich sich der Gunst verträgt die Sitte.

ENGELHARD: Du sagtest, wenn ich diesen Kampf bestehe,
So soll ein kleines Stelldichein mich loben.

ENGELTRUD: Ach, Herrlicher, du weißt, wie ich dich sehe!
Doch mancher hat beim Tragen sich verhoben.
Der König ist nicht frei im Tun und Lassen,
Der Vater mag verzeihn, wenn Sitte leidet,
Jedoch der ganze Hof pflegt aufzupassen,
Daß Recht und nicht die Vaterlieb entscheidet.

ENGELHARD: Du weichst mir aus!

ENGELTRUD:                 Ich will nur etwas warnen.
Die Luft ist mild im Duft von Lindenblüten.
O laß dich nicht vom Stimmungshoch umgarnen,
Um jäh zu falln! Das möge Gott verhüten.

ENGELHARD: Mein Lieb, du bist so süß in deiner Sorge!
Ich stürbe gern für deine Hand am Munde!
Ich sing nur dich und glaub nicht, daß ich borge,
Denn jedes Lied entspringt am Herzensgrunde.

ENGELTRUD: Kunstsinnig ist der Vater, manchmal Schwärmer,
Er holte Mutter her vom Engelande,
Ich wäre ohne diese Erbschaft ärmer.
Doch Minne endet, wo beginnt die Schande.

ENGELHARD: Ich werd dich nicht berühren, werd nur singen
Vom Schmerz der Sehnsucht, der verlornen Klage,
Daß ich, so nah an den begehrten Dingen,
Zu warten auf ein großes Wunder habe.
(singt):
Auf Anger und Auen
Im Frühdämmerschein,
Wo Fischotter bauen
Und Ohreulen schrein,
Dort mag ich nur schauen
Nach einer allein.
Im Schmelz der Syringen,
Im Echo von Stein,
Auf Seeadler-Schwingen
Bei Bilsen und Wein,
Dort mag ich nur singen
Von einer allein.
Wo Nebel sich senken,
Wo Pollen stäubt fein,
Wo Blumen sich schenken
Und Quellwasser rein,
Dort mag ich nur denken
An eine allein.
Bei seidenen Stoffen,
Bei Spinnweb im Hain,
Wo Traumhimmel offen
Mich fragen, was mein,
Dort mag ich nur hoffen
Auf eine allein.
Und alles entgegnet:
Es wird alles gut,
Obs Tränen auch regnet
Im Herzen, im Blut
Ist alles gesegnet –
Ich bin ja begegnet
Für je Engeltrud.

ENGELTRUD (nach einer Weile):
Du bist ein Magier, der mit Zauberstimme,
Die Welt berückt, daß sorgenfrei wie Finken
Wir fliegen, und die Blütenlust der Imme
Nicht achtet, daß die Sonne will versinken.
Dein Lied kommt aus der Vorwelt, ungestaltet
Von Bräuchen und Gesetz und Wacht auf Zinnen,
In ihm ist eine Sicherheit entfaltet,
Als Falter eine Blüte zu gewinnen,
Die schon die Sichelklänge hört der Mähder
Und alles setzt auf diese eine Stunde.
Sie reckt sich und sie weitet das Geäder,
Sie flutet Duft und geht mit Lust zugrunde.
(Sie lehnt sich an ihn, und er umfaßt sie.)