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Aus »Siegfrieds Tod. Trauerspiel«. Vers 58143 bis 58222 ZWEITER AUFZUG. DRITTE SZENE Siegfried, Hagen. SIEGFRIED (stürmt herein): Ich tus nicht, nein, das kann man nicht verlangen, Solch Tun ist wider Ehre und Gewissen, Ich laß mich nicht für solche Dienste fangen, Und wers versucht, da ist das Band zerrissen. HAGEN (folgt bedächtig): Schrei nicht so laut, die Frauen könntens hören, Aufregung nutzt nicht, ruhig Blut ist alles, Wenn sich die Helden allzu wild empören, Trägt dies in sich den Keimling des Verfalles. Wer einen Bogen spannt, der laß dem Pfeile Auch Freiheit, seiner Beute Herz zu treffen. Wer mag auf Fahrt, zupaß dem Seelenheile, Als wärs an Land, das Gaffelsegel reffen? Der König kann die Ehe nicht vollziehen, Auf hoher See wars ihm alleine schimpflich, Auch seiner Schwester Ehre wird bespieen, Gelingts uns nicht, daß dieser Schaden glimpflich. SIEGFRIED: Daß Kriemhild hab des Bruders frohen Segen, Versprach ich, euch nach Isenland zu führen, Dann Gunter einen schweren Stein bewegen, Verborgen, nicht zu schauen, doch zu spüren. Ich ruderte für ihn und alle Wetten, Die hatte sich die Spröde ausbedungen, Hab ich, als obs die seinen Muskeln hätten, Auf seiner Brautfahrt ehrenvoll bezwungen. Und Kriemhild billigt solche List im Kriege, Weil so ein Mannweib, das die Männer schlachtet, Nicht Anspruch hat, daß Treu im Handeln liege, Drum schlag sie Schande, weil sie danach trachtet. Es mag ein Mann, seis auch im Tarngewande, Die Keule führn, die Schleuder und den Degen, Doch ist es ihm die allergrößte Schande, Ein fremdes Weib ins Ehgemach zu legen. HAGEN: Der zweite Teil des Werks, das du begonnen, Ist wesentlich verschieden nicht vom ersten, Zu früh ists, im Triumphe sich zu sonnen, Erst muß der Reifen um den Nabel bersten. Den Gurt, der sie bewahrt, mit Macht erbeuten, Ist Krieg wie jeder und nicht Wollust-Pflege, Drum wenn wir erstens den Betrug nicht scheuten, So sollten wir nicht abseits gehn vom Wege. SIEGFRIED: Ich räng mit ihr, ansichtig ihrer Formen, Ich träfe sie am Eingang des Geschlechtes, Dies ist ein Spott für Sitte und für Normen, Unmännlich ists und ganz gewiß nichts rechtes. HAGEN: Mit Weibern kämpfen ist nicht Männersache, Doch die Verkehrung geht auf ihre Kappe, Du tatst es längst. Darum ein Ende mache Und füg ihr zu die allerletzte Schlappe. SIEGFRIED: Sie zwingt mich und ich spüre Haß genügend, Den Gürtel ihr vom nackten Leib zu kratzen, Doch säh ich mich dem Willn des Königs fügend, Für Kriemhild wärs gewiß ein arger Batzen. HAGEN: So sag ihr nichts von diesem Niederringen, Du schonst sie nur und keiner wird euch schelten, Dem Frieden dient das Werk vor allen Dingen, Und der wirds euch mit langem Glück entgelten. So will ich gehn, der König in der Halle Schon wartet, ich vermeld ihm deine Treue, Um Mitternacht liegt Brunhild in der Falle, Beherztes Tun vermeidet stets die Reue. (Ab. Es wird langsam dunkel.) SIEGFRIED (während er die Ampeln im Saal entflammt): Der Segen Gottes und der Welten-Segen Sind Dinge, die wohl nie gemeinsam wirken, Ihr Blauaug hieß, den Arm um sie zu legen, Doch ich verirr mich in den Hof-Bezirken. Da herrscht die Liebe nicht im reinen Schauen, Die Ehrsucht und der Dünkel spinnen Ränke, Verführung tritt an Stelle von Vertrauen, Und alles scheint, als obs der Teufel lenke. Warum mußt ich die Bruderliebe achten, Die mich zum Schelme machte in dem Stücke? Wärs, daß die Rolle, die sie mir erdachten, Mir heimlich meine Eitelkeit entzücke? Ich hab gefehlt, will Kriemhild dies nicht deuten, Ists in der Tat kein weiteres Verschweigen, Vermeid ichs, diesen Trug an allen Leuten Der Herzensschwester deutlich anzuzeigen. Jedoch mein Aug wird mich sehr bald verraten, Es ist nicht schändlich nur, es ist betrüblich, Und wenig hilfts, daß solche Meucheltaten An allen Höfen und an diesem üblich. (Er verharrt in nachdenklichem Schweigen.) |