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Aus »Siegfrieds Tod. Trauerspiel«.   Vers 58019 bis 58090

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Der Rittersaal der Hofburg. In der Mitte eine Wendel­treppe zum Turm, die Kriemhild heruntersteigt. Ute sitzt auf einem Schemel und schaut mißmutig drein.


Ute, Kriemhild.

UTE: Du wirst dich in dem Sturme noch erkälten,
Wenn du nur immer runterschaust zum Hafen,
Es gibt im Leben nicht nur Liebeswelten,
Auch wär es an der Zeit jetzt, mal zu schlafen.

KRIEMHILD: Was soll ich schlafen und sein Horn verpassen,
Ich bin nicht Witwe und wie du versteinert,
Die Frische dieses Westwinds nimm gelassen,
Weil er das Glühn in meinem Herz verkleinert.

UTE: Ihr werdet nach der Hochzeit bald verreisen,
Und ich verlier mein Töchterchen, mein kleines.
(Sie tupft mit einem bestickten Tuch ihre Augen.)

KRIEMHILD: Wozu die Eil? Ach, nirgends sind die Meisen
So sangfroh wie im Gau Burgunderweines.

UTE: Nesthäkchen, du mußt deinen Mann begleiten
In seine Burg und einen andern Garten.

KRIEMHILD: Ich liebe aller Brüder Albernheiten,
Mein Schatz wird drob gewiß ein Weilchen warten.

UTE: Dies ist nicht gut. Wenn Gunter sich vermählte,
So ist am Hof die fremde Frau die hohe,
Schaut sie den Helden, den mein Kleines wählte,
Mag Neid im Herzen steigern sich zur Lohe.

KRIEMHILD: Ich werd ihr stets um meines Bruders willen
Die Achtung zeigen, die dem Hof ich schuldig,
Und Siegfried weiß den Tatendrang zu stillen
Bei Bärenjagd und ist sonst so geduldig.
Die Jugend ist ihm peinlich, die verlottert,
Und er studiert mit Eifer die Manieren,
Er ist so schamhaft, daß er manchmal stottert,
Da wird gewißlich kein Skandal passieren.
Auch Hagen ist am Hof, obgleich an Kräften
Dem König und den Brüdern überlegen,
Und keiner meint, daß Gunter den Geschäften
Gewachsen nicht, das ganze Land zu hegen.

UTE: Bei Hagen liegt die Sache recht verschieden,
Gar mancher meint, er sei ein Sohn der Alben,
Sein Blut ist kalt und wird auch niemals sieden,
Er strebt nach Kronen, ganzen oder halben,
Im Herzen nie, er treibts recht gern im Schatten
Der Mächtigen und gönnt den Herrn die Sonne,
Wenn sie wie Zufall seinen Einfall hatten,
Schafft dies für ihn die allerhöchste Wonne.
Er lenkt uns weibisch und gemeßnen Schrittes,
Er achtet auf Gefahren und auf Zeichen,
Er wird niemals ein Opfer seines Rittes,
Noch wird er je vor einer Schande weichen.

KRIEMHILD: So meinst du, Siegfried sei dagegen hitzig
Und weckte selbst die Toten in den Grüften?
Ach, oder du vermeinst, ich fänd es witzig,
Ein unheilvoll Geheimnis ihr zu lüften?

UTE: Du kennst die Weiber nicht, weil ich nur Jungen
Hab sonst geborn, du Wildfang dem nicht ferne,
Von Dünkel sind die einen ganz durchdrungen,
Die andern fordern himmelher die Sterne.
Wenn sie der Konkurrentin etwas lassen,
Dann nur, was ihnen eklig und verächtlich,
Ihr Anspruch ists, in ihrem Arm zu fassen,
Was groß am Tage oder mitternächtlich.
Die fremde Frau, von der man sagt, die Werber
Hab sie geköpft und aufgespießt die Schädel,
Vermißte deinem Fell den scharfen Gerber,
Denn allzu frech bist du, mein liebes Mädel.
Das Glück steht dir zu deutlich in den Augen,
Sie wirds mit üblen Ränken dir vermiesen,
Wie Männer arglos zu dem Spiele taugen,
Das hat sich stets in Tag und Jahr bewiesen.

KRIEMHILD: Laß gehen, Mutter, seit ich mich verlobte,
Will ich nicht wildtun oder töricht schwatzen,
Es ward mir fremd, daß Zorn und Prahlsucht tobte,
Und spitze Nadeln können mich nicht kratzen.

UTE: Dein Wort in Gottes Ohr! Doch viele Jahre
Belehrten mich: zwei Fraun in einem Dache
Versengen Männern und sich selbst die Haare
Und spein mehr Feuer als der ärgste Drache.
(Ein Horn. Kriemhild rennt die Treppe hinauf zum Turmfenster und stößt einen Freudenschrei aus.)