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Aus »Siegfrieds Tod. Trauerspiel«.   Vers 57927 bis 58018

ERSTER AUFZUG. VIERTE SZENE


Die Bühne zurück zum Lindwurmbild.


Gunter, Gerenot, Hagen, Volker.

GUNTER: Was ist das für ein Pestgestank im Walde,
Man spürt der Fliegen jauchzendes Frohlocken,
Abdecker haben auf der Ratten-Halde
Gewiß nicht solche fetten Eiterbrocken.

GERENOT: Ein Teich von Blut, o Bruder, daß nicht netze
Der Unrat dich, hab acht in deiner Eile,
Und dann das Viech! Daß sich der Christ entsetze
Und selbst der Heilge zweifle an dem Heile.

VOLKER (greift nach der Harfe):
So ists geschehn. Brunhilde, deine Jugend
Ist hin, der Recke, dich vom Gurt zu schnallen,
Bezeugt die Früchte seiner Mannestugend
Dem Himmel und auch nebenbei uns allen.

GUNTER: Was faselt der Poet? Und was für Reifen
Sind da zu öffnen mit der Kraft des Recken?
Ist jemand da, das Rätsel zu begreifen,
Daß er uns rat von den geheimen Zwecken?

HAGEN: Es geht ein altes Lied vom Drachentöter,
Auf den die Asen ihre Hoffnung setzen,
Der Wächter, der nun bloß ein toter Köter,
Verhinderte, daß sie den Bann verletzen.

VOLKER: Und jener wird die holdeste der Maiden,
Die alle Freier schlägt bei Waffenspielen,
Gewinnen, daß das Land gehör den beiden,
Der Himmel jenen, die vor Zeit verfielen.

GUNTER: Wer wagt hier Anspruch auf das Land? Doch sage
Was ist an jener Maid so ungewöhnlich?

VOLKER: Wer sie begehrt, dem ist sie Todesplage,
Denn sie enthauptet Werber unversöhnlich,
Als Jungfrau ist sie allen überlegen
Im Lauf, im Steinwurf und im Ruderboote,
Doch dem Bezwinger wird die Wehr zum Segen,
Zu Lust und Kraftborn, was davor bedrohte.
Die Erde selbst schuf ihre Weibeswonnen,
Die Götter legten Schwert und Schild zusammen,
Daß ihre Hochzeit alle Weltensonnen
Beschäm und alle, die von solchen stammen.
Sie bleibt so mailich wie das Dommelflöten,
Sie geht, als sein beflügelt ihre Schuhe,
Der milde Dunst beschämt die Morgenröten,
Ihr Schoß ist aller Seligkeiten Truhe.
Die Mitgift, dem Geschlecht die Weltenkrone,
Hat nicht den Preis, den sonst Beschenkte hatten,
Denn was so hold, daß es unendlich lohne,
Geht mit der Ehe gänzlich auf den Gatten.
Drum steht ein harter Strauß vor diesem Siege,
Nur jener, den die Asen auserkoren,
Verliert sein Leben nicht im Minnekriege
Und tritt als Herr in aller Höfe Foren.

GUNTER: Was bin ich König noch, um eine Krone,
Die hehrer als die meine, auszuschlagen,
Mich schreckt kein Kampf und keine Todeszone,
Dies Weibsbild in mein Schlafgemach zu tragen.
Drum, Hagen, sinn, wie balde steht das Segel,
Daß Wein und Vorrat sei dem Schiff im Rumpfe,
Und schaff mir Macht auch wider alle Regel,
Daß ich die Spröde herrlich übertrumpfe.

HAGEN: Gemach, solch Ding ergibt sich nicht im Sturme,
Es braucht hier Überlegung wohl und Listen,
Mein Lindenspeer begehrt das Blut vom Wurme,
Daß er vergeß die letzten Schweigefristen,
Derweil ich Holz anhier am Safte tränke,
Vermähl sich Pflanzenstärke mit dem Tiere,
Begehrt ihr, daß die Göttliche sich schenke,
Ist Ungeduld der Pfad, daß man verliere.

GERENOT: Was willst du Bruder solches Abenteuer,
Du herrschst in deinem Lande unbestritten,
Verschleuderst du die Kräfte ungeheuer,
Ists meist Verlust zur Freud allein des Dritten.

GUNTER: Nun gut, die Sache muß man wohl bedenken,
Gibt es ein Ziel, so finden sich die Pfade,
Und Hagen, der versteht den Stern zu lenken,
Er netzte nicht umsonst den Speer im Bade.

VOLKER: Mir ists, als hätte ich zu hehr gesprochen,
Derweil ich meine alten Stäbe klampfe,
Ich wiederhole, eh der Bann gebrochen,
Bedarf es erst des Muts zum Drachenkampfe.

HAGEN: Was soll das, Volker, sieh das alte Leder
Ist mausetot und niemands Ziel zu schlachten,
Ein Reich bezwingt das Schwert und eins die Feder,
Dies ist kein Ort, um hier zu übernachten.

VOLKER: Ist tot der Drache, ist der Prüfung Träger
Der Zwinger, dessen Werk wir schaun mit Grausen,
Und darum spricht der halbwegs kluge Wäger,
Ich laß die Sache unverzüglich sausen.

HAGEN: Der König braucht nicht Weibsgezag und Wimmern,
Der König braucht die Helden, die ihm streiten,
Drum spar das weitre auf den Frauenzimmern,
Eh wir zu ernstern Schweigemitteln schreiten.

GUNTER: Dies ist ein Wort, den Ausritt zu beenden,
Es fügt die Nacht, was Morgen offenbarte,
Laßt uns zum Hof die müden Pferde wenden,
Dort tropft gewiß vom Spieß die Eberschwarte.