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Aus »Siegfrieds Tod. Trauerspiel«.   Vers 57723 bis 57926

ERSTER AUFZUG. DRITTE SZENE


Die Bühne dreht sich und zeigt nun eine sprudelnde Quelle im Walde. Siegfried sitzt an einem Feuer, über dem ein kleines Tier schmort. Er hat ein etwas albern wirkendes Gewand an, mit lauter lebensgroßen Tauben darauf. Er summt fröhlich und be­ginnt dann zu singen.


Siegfried, später Kriemhild.

SIEGFRIED (singt): Alle Brünnlein raunen mir
Vom Holunder-Hildchen,
Und ich hoff, es käm nach hier,
Wies im Traum versprach das Tier,
Das mir gab sein Bildchen,
Ach, mein Los sei herzig hold
Das Holunder-Hildchen.
Maitag träumt im Blütenschnee
Vom Holunder-Hildchen,
Eh ich von der Erde geh,
Ich noch diese Augen seh,
Die mein Herzens-Schildchen,
Mehr als alles Gut und Gold
Das Holunder-Hildchen.
Ringsum jauchzt das Lenzgesind
Vom Holunder-Hildchen,
Eh der Herbst die Nebel spinnt,
Komm es nächtens Linden-lind,
Milchweiß als mein Mildchen,
Weil es Heil und Heimat zollt,
Das Holunder-Hildchen.
Wind erzählt mir immer neu
Vom Holunder-Hildchen,
Ihm sei alle Ehr und Treu,
Ob es auch versteckt und scheu
Fernbleib dem Gefildchen,
Wo vernichtet sei, wem grollt
Das Holunder-Hildchen.
(Es raschelt, er lauscht und spricht dann.)
Es springt in diesem Hain so viel des Wildes,
Daß ich die Quelle brauchte nie verlassen,
Mein Lauschen hofft auf Trautes und auf Mildes,
Ich hab nicht Lust, noch Pfeile zu verpassen.
Doch, ach – was tritt durchs Unterholz, das finster?
Was leuchtet wie ein Pilz aus dem Moraste?
Wer neigt mit seinem sanften Schritt den Ginster?
Was fang ich an mit unverhofftem Gaste?
Ein Elbenweib? Sie trägt burgunder Kleider.
Welch Vorwitz läßt sie unter Buchen streifen?
Sie schreitet stolz und weiß um ihre Neider.
Sie ist gewohnt, Begehrtes zu ergreifen.
Die Mutter warnte mich von Quell und Linde,
Ich sollte dorten keinem Wesen trauen,
Doch eh ich der Begegnung mich entwinde,
Sie ist so hell und lieblich anzuschauen.
Ich muß, der Mutter arg zuwider, hoffen,
Ihr Warnwort gelte einer andern Stunde,
Denn, sieh, mein Herz ist nichts als rot und offen,
Und braucht nicht erst von außen eine Wunde.
Sie ist gewohnt die Männer und die Waffen,
Allein mein Aufzug wird sie wohl erheitern,
Was Passenderes war nicht anzuschaffen,
Ich nahms und suchte da nicht lang nach weitern.

KRIEMHILD: Verzeih der Herr, ich möchte an der Quelle
Den Schlund, der arg verbrannt, ein wenig kühlen,
Es drängt mich hier und jählings auf der Stelle,
Ein bittres Kraut mir aus dem Zahn zu spülen.

SIEGFRIED: Wohlan, mein Horn soll euch zum Trunke frommen,
Ich füll es frisch aus Gottes reinem Sprudel,
Dies Wasser läßt die Lebensgeister kommen,
Da jauchzt selbst in der Suppe noch die Nudel.

KRIEMHILD: Es ist so lieb, daß ihr um Christi Willen
Erbarmt euch meines Leichtsinns, loh im Lenze,
In Gottes Garten folg ich meinen Grillen,
Wenn ich da Spinnrad und Kaminbank schwänze.

SIEGFRIED: Mich freut es, wenn die Maid sich sonder Zagen
Traut in das Feld, sonst Männern vorbehalten,
Dies schafft ihr erst Gesicht für unser Wagen,
Damit die Augen nicht darum erkalten.
Doch eure könntens nie, sie sind vulkanisch,
Daß man erahnt den Feuerschlot dahinter,
Der Lenz ist da, jedoch nicht minder manisch
Bezwäng ihr Glanz, regierte auch der Winter.

KRIEMHILD (trinkt, nach einer Pause):
Ihr sagtet wahr, der Trank ist ungewöhnlich,
Er spornt, wohin er kommt, sogar der Magen
Belebt sich und er rechtet unversöhnlich,
Er stellt dem Gaumen altbekannte Fragen.
Drum will ich unverzagt zum Hofe kehren,
Und, was man stellt auf hell gebleichtes Linnen,
Bis auf das Zinn mit meinem Hunger leeren,
Ich wende mich mit Gottes Gruß von hinnen.

SIEGFRIED: Wollt ihr den Jäger einen Stümper schelten,
Das Fleisch ist gar und tropft mit seinem Fette,
Das Tier war groß, die Ahndung zu entgelten,
Daß ich beim Mahle noch Gesellschaft hätte.

KRIEMHILD: Ich schieb die Schuld dem Trank zu, der dem Mute
Gab auf, Gegartes mit dem Mann zu teilen,
Der unter Waldes grünem Wipfelhute
Mich einlädt, an der Quelle zu verweilen.

SIEGFRIED: So ist es recht. Was leben will, muß nehmen,
Was uns der Herr im Offenen kredenzte,
Denn nur wer frei ist, ähnelt nicht den Schemen,
Die vorjahrs schon der bleiche Schnitter senste.

KRIEMHILD (errötend):
Nun ja, die Freiheit ist der Schmuck des Christen,
Doch gab der Herr auch allen die Gebote,
Für alles gibt es Wohnungen und Fristen,
Daß nicht der Mensch grad wie ein Heid verrohte.

SIEGFRIED: Sprach ich zu wild, die Schicklichkeit verletzend,
Fürwahr, ich muß euch um Verzeihung bitten,
Schon manchem Jäger ist, den Hasen hetzend,
Zu früh der Pfeil aus Köchers Hut entglitten.

KRIEMHILD: O nein, ihr sprecht recht artig und gebunden,
Auch stehn für Frieden eures Kleides Tauben,
Ich glaub, ich hab ein gutes Herz gefunden,
Unfähig, eine Jungfrau zu berauben.

SIEGFRIED: Die Tauben, ja, ich sag es euch ganz ehrlich,
Mein Jagdgewand verbrannte mir zu Fetzen,
Und also ward Gefundnes unentbehrlich,
Die Sitte nicht mit Nacktheit zu verletzen.

KRIEMHILD: Wie durfte euch die Hitze so bedrängen?
Mit wird ganz angst beim Denken an die Lohe.
Wenn Kleider sich am ganzen Leib versengen,
Wird auch verletzt der Heldische und Frohe.
Brauchts Balsam, sagt, mich lehrte wohl die Mutter,
Die Kräuter, die verschließen ärgste Wunden,
Ich löse die Essenzen euch in Butter
Und salb den Brand zu raschestem Gesunden.

SIEGFRIED: Nichts Grasendes gibt Butter eurer Stimme,
Die heilt die Wunden Leibes wie der Seele,
Kein Honig ward gesucht von einer Imme
Wie jener, den ich euerm Dufte stehle.
Und kein Gekräut trägt zaubrisch dunklen Samen,
Der mich zum Traum wie euer Atem führte,
Doch sagt mir bitte euren holden Namen,
Daß Hirn benenn, was ihm der Herzschlag kürte.

KRIEMHILD: Ihr seid ein Kämpfer, der gewohnt, mit Flammen
Zu spielen, auf der Jagd wie in der Liebe,
Jedoch bei Hofe nimmt man sich zusammen,
Es steht ein andrer Sinn in dem Betriebe.
Gleichwohl, es leuchtet aus dem Aug ein reines
Beständiges und treues Gottvertrauen,
Drum will ich ungeacht des Quellenweines
Auf eure schlichte Seelengröße bauen.
(Sie verstummt plötzlich und lauscht auf die Laute des Zirpzalps. Dann stockend):
Und euer Rang gebietet es, den Damen
Zu huldigen im schönsten Brauch der Minne,
Einfältigen, die das zu wörtlich nahmen,
Vergehn dabei wohl manches Mal die Sinne . . . (Sie weint.)

SIEGFRIED: Mein Herzblatt, mein unendlich holdes Gurren
Des Täubchens, was, um aller Höllen Kessel,
Vermochte widers Sonnenlicht zu murren,
Daß Träne sprengt des Augenlichtes Fessel?
Was für ein Dämon stieg aus seinem Pfuhle,
Und lehrt den Vogel schändliche Tiraden,
Was sagt euch, daß ich falsch und ehrlos buhle
Und meine Lieb euch bald gereich zum Schaden?

KRIEMHILD: Der Vogel sprach von euern Heldentaten,
Die nie sich mit der Maid begnügen werden,
Die immer, wenn auch halbwegs gut geraten,
Ein schlichtes Weibsbild bleiben wird auf Erden.

SIEGFRIED: Was gibt es schlichtres überm Wald als Sonne?
Sind ärmlich, weil alltäglich, die Gestirne?
Wer sagt, daß im Gesuchten wohn die Wonne,
Und nicht in Apfel, Zwetschge oder Birne?
Warum kann ich, der vor des Nachbars Jungen
Den Baum erklomm und weiter sah im Nebel,
Der Gottesfurcht nicht teilsein und durchdrungen?
Ich wähnte mich doch nie am Weltenhebel!
Warum muß ich an meinen Kräften leiden,
Als seien sie nicht fromm und allen Nutzen?
Muß ich mir erst, eh alle Maiden scheiden,
Die Adlerflügel aufs Gewohnte stutzen?

KRIEMHILD: Dies sei wies sei. Doch ist es nicht zu glauben
Ihr wärt ein Ritter, wie da viel im Heere,
Und machtet euch nichts aus Burgunderhauben
Und fragtet nicht nach Mitgift und nach Ehre,
Gleichwohl es käm ein Weib im Hain geschritten,
Bedürftig nach dem Quell bei euerm Feuer,
Gewöhnlich wie die Schlehen und die Quitten,
Doch Amor nennt dies alles ungeheuer.

SIEGFRIED: Ich weiß, ich hab zu früh mein Herz verraten,
Ich bin ein Heißsporn und ein Fahnenjunker,
Ich brauch das Weib, zu schleifen an den Graten,
Doch kenne ich kein Falsch und kein Geflunker.
Ich wußte gleich, als euer Haar von Buchen
Sich abhob, daß schon vor dem Mutterschoße
Die Wahl war gültig und nicht mehr zu suchen,
Denn ihr seid mir das Lebensglück, das große.
Wir waren schon vereint, eh alles Werden
Gestalten schuf und Licht, sie zu beschauen,
Ehs Himmel gab und je ein Wort auf Erden,
War ausgemacht, daß wir uns ganz vertrauen.
Dies glaub ich, ob ein Priester nenn mich Ketzer,
Es ist mein Herz, das also spricht und handelt,
Eh der Versucher Schlange ward und Hetzer,
Sind wir auf Wolken engelsgleich gewandelt.

KRIEMHILD: Ich habe, was du sprichst, schon mal vernommen,
Und weiß nicht wann und nicht an welchem Orte,
Sind wir gemeinsam aus dem Licht gekommen,
Und suchen nun vereint die enge Pforte?

SIEGFRIED: So muß es sein, es fügt sich ineinander,
Die Mutter auf dem toten Lindwurm wachte,
Als Weiser nannte sie im Weltgewander
Das Herz, das sie zu meinem Leitstern machte.
Kaum war ich auf und fand die erste Quelle,
Da trat aus Traum und Wahn mir das Erhoffte,
Grad so als ob das Mutterwort, das helle,
Sich mit dem ersten Hahnenschrei verstoffte.

KRIEMHILD: So sei es. Und ich werd mich nicht verweigern,
Jedoch mein Bruder ist der Herr des Landes,
Er spricht sich aus in Sängern und in Schweigern
Und ist der Hirte allen Volks und Standes.
Gelingt es dir, sein Jawort zu erreichen,
Soll meins ihm folgen bis zum Weltenende,
Er gibt nicht viel auf Würden und auf Zeichen,
Dafür recht viel auf Augen und auf Hände.