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Aus »Siegfrieds Tod. Trauerspiel«.   Vers 58740 bis 58795

DRITTER AUFZUG. FÜNFTE SZENE


Kriemhild, Giselher, Ute.

GISELHER: Horch nur, wer kommt, die Mutter wird uns retten,
Sie kommt, wenn man vermeint, es geh nicht weiter,
Sie kennt die Lösung für die schwersten Ketten
Und macht dich auch im tiefsten Grame heiter.

KRIEMHILD: Ich höre nichts, nur Wind in alten Eichen,
Der singt vom Tod, darunter schmatzen Schweine.
Was hoff ich Närrin auf ein Rettungszeichen?
Der Himmel blaut und sagt mir: Trag das deine.

GISELHER: Die Mutter kam noch nie zu spät, ich ahne
Ihr Schlurfen, keine Reiterhorde würde
Sie überholen, keines Fürsten Fahne.
Sie kommt gewiß und nimmt dir deine Bürde.
(Ein Knarren auf der Stiege.)
Da hör, sie kommt behutsam raufgeschritten,
Sie wird nicht stolpern und zulange weilen.
Sie kommt, du brauchst die Hilfe nicht erbitten,
Sie kennt die Wunde und sie wird sie heilen.

KRIEMHILD: Sie hat mir früh den Königsweg bedeutet,
Ich aber war von kindlichem Vertrauen.
Erst heute, wo die Totenglocke läutet,
Zwing ich mich, aus der Täuschung aufzuschauen.
Wird sie nicht sagen, daß ich es versäumte
Ins Rad zu greifen, eh zu rasch die Speichen?
In frevlerischem Leichtsinn weiterträumte,
Bis unentwirrbar dicht die Todeszeichen?

GISELHER: Kein Knäul, daß sies nicht mühelos entzwirne!
Sie weiß den Schleichweg jeder Dornenhecke.
Schwappt dir das Moor schon Flecken auf die Stirne,
Sie führt dich wie ein Schmetterling vom Flecke.

UTE: Ich denk, da ihr so lange seid zusammen,
Es wäre an der Zeit, euch was zu raten,
Nur Dinge, die aus raschem Einfall stammen,
Sind ausersehn zu Fügungen und Taten.

KRIEMHILD: Wie wahr du sagst, den Meuchelmord, beschlossen
An Siegfried, will uns Giselher vermeiden,
Doch Gerenot ist grämig und verdrossen,
Die Pferde müssen seinen Kerker leiden.

UTE: Ihr meint, ich hätte wohl zum Stall die Schlüssel,
Dem Wächter würd ein Nickerchen nicht schaden,
Nun wohl, ich leg euch dreie in die Schüssel,
Der wichtigste trägt einen blauen Faden.
Bleibt ruhig bis ihr Schnarchen hört von draußen,
Erweist sich euch mein Trank als wohlgeraten,
Dann hindert nichts mehr, in den Wald zu brausen,
Zu säubern ihn von Hexen und von Schraten. (Ab.)

GISELHER: Sie zaudert nicht, sie kommt sofort zum Kerne,
Schon leiser wird im Hof das Hundebellen.
Die Rettung, liebe Schwester, ist nicht ferne,
Wir müssen nur noch lauschen nach den Ställen.
Dann flieg ich und ich weiche nicht vom Rücken
Dem Drachentöter, dem am Horn zu kratzen,
Nicht mal dem kleinsten Käfer könnte glücken,
Erst recht nicht irgendwelchen Bärentatzen.

KRIEMHILD: Ja Giselher, du meinst, es sollt gelingen,
Es gäb im Netz für unsern Traum die Lücke,
Ich bin erschöpft und müd vor allen Dingen,
Denn gar zu mächtig ist das Reich der Tücke.