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Aus »Siegfrieds Tod. Trauerspiel«.   Vers 58796 bis 58851

DRITTER AUFZUG. SECHSTE SZENE


Kriemhild, Giselher, Gunter, Hagen.

GISELHER: Ich höre Schnarchen, Schwester, ich beginne
Den Ausritt und ich werd das Pferd nicht schonen.

KRIEMHILD: Fahr wohl, fahr rasch, daß nicht die Zeit verrinne,
Die Sonne seh ich weit im Westen wohnen.
(Ein Horn ertönt.)

GISELHER: Was war das grad? Ich glaub ich höre Gunter.

KRIEMHILD: Dies kann nicht sein. Sie kommen nie so frühe.
(Ein zweiter Hornstoß.)

GISELHER: Kein Zweifel. Er ist heimgekehrt und munter.
Dies zu erkennen, schafft mir keine Mühe.
Was wir geplant, war heute nicht zu machen,
Doch glaube ich, es war auch nicht vonnöten,
Wenn man da heimkehrt noch im Sonnenlachen,
War Zeit gerad, ein großes Tier zu töten,
Nicht noch für andre Händel oder Frevel,
Der Krug ist noch einmal vorbeigegangen,
Das Horn klingt nicht nach Feuer und nach Schwefel,
Drum röte deine allzu bleichen Wangen.
(Gunter und Hagen treten ein. Knechte bringen Siegfrieds Leiche auf einer Trage aus Lindenästen.)

GUNTER: Ein furchbar hartes Unglück ist geschehen.
Den Jagdgefährten riß ein wilder Eber . . .

KRIEMHILD: Ich kenne ihn. Ihr könnt ihn alle sehen.
(zu Hagen):
Hier tritt herbei und hilf dem schwachen Heber.
(Hagen tritt an die Trage.)
Ich sag es laut und sag es alle Tage:
Die Wunde blutet, weil der Mörder nahe,
Und dieses Haus ist eine Landesplage,
Eh jener nicht gehenkt ward an der Rahe.

HAGEN: Was schreist du rum. Du selber bist die Schande,
Die ihm die Jugend und die Kraft zerstörte.
(Er nimmt das Schwert von Siegfrieds Leiche und geht.)

KRIEMHILD: Jetzt auch noch diebisch wird die Mörderbande,
Ich werd es schrein, bis es noch jeder hörte.
Was Gunter? Bist du König oder Schächer?
Was trittst du wie ein Knab auf deine Füße,
Bist du mein Bruder, dann bist du mein Rächer.
Wenn nicht, dann deine Spießgesellen grüße.

GUNTER: Wir müssen ruhn, ich werde Ute schicken,
Sie wird dir weisen die verbliebnen Rechte,
Du solltest dieses Pflänzchen nicht zerknicken,
Denn lang sind außer Haus die Winternächte.
Den König darf das Schwesterglück nicht wehren,
Zu sorgen für das Reich und für den Frieden,
Den Bruder muß dein hartes Los beschweren,
Doch meine Pflichten sind davon verschieden.

KRIEMHILD: Bevor du gehst, nimm meinen Schwur der Rache,
Von diesem Haus soll keiner überleben,
Ihr wart mit großem Eifer bei der Sache,
Drum werdet ihr im Höllenkessel schweben.
Der König, seine Jäger, seine Mannen,
Sie lachen, daß ein schwaches Weib so drohe,
So zieht in eurem Übermut von dannen,
Aus einem Funken kam noch jede Lohe,
Wenn jemand ist zum äußersten entschlossen.
Der Zeitpunkt macht die Flocke zur Lawine,
Und ist der Pfeil erst einmal abgeschossen,
Zeigt sich erbärmlich die Entsetzensmiene.
Ich werde selbst den Teufelsbund nicht scheuen,
Daß euch die Rache ungeschmälert richte,
Und keinen schon, der etwas zu bereuen,
Und von Burgund, da bleiben nur Gedichte.