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Aus »Siegfrieds Tod. Trauerspiel«.   Vers 58676 bis 58739

DRITTER AUFZUG. VIERTE SZENE


Kriemhild, Giselher.

GISELHER: Was kann ich für die Schönste aller Schönen
Wohl fangen, fordern, häufen oder hetzen?
Nicht oft will mich dein lieber Ruf verwöhnen,
Drum weiß ich die Gelegenheit zu schätzen.

KRIEMHILD: Dein Bruder riet mir wortreich zu verzichten
Auf alles Handeln, wo die Not ein Schrecken,
Er meint, es ging ein Wind durch die Geschichten,
Vor dem wir uns am besten nur verstecken.
Drum seh ich klar, allein der jüngste Reiter
Ist unbetroffen vom Verfall der Sitte,
Und also hilft er mir alleine weiter,
Daß ich die Rettung unserm Recht erstritte.

GISELHER: Was soll ich tun? O Schwester, ich begehre
Zu bringen alle Orchideen des Gaues,
Ich denk, dein Auftrag schafft mir Ruhm und Ehre,
Drum dein Begehr, mit freiem Mut vertrau es.
(Er streckt seine Hand aus.)

KRIEMHILD: Du sollst zur Jagd dich eilen, die im Gange,
Der König, Siegfried, Hagen sind im Haine,
Reit zu der Schar und säume gar nicht lange,
Sonst triffst du sie nicht mehr im Sonnenscheine.
(Sie untermalt ihre Worte mit Gesten.)
Dann bleib an Siegfried dran so wie ein Schatten,
Er soll allein nicht trinken an der Quelle,
Verlaß ihn nie, und ruht er auf den Matten,
Reiß dich die Blase nicht mal von der Stelle.

GISELHER: Dies ist ein Auftrag, schön und leicht zu machen,
Wenn niemand weiß, warum ich solches tue,
Da werden wohl die andern herzlich lachen,
Weil ich wie närrisch nimmer steh und ruhe.
Das juckt mich nicht, weil ich die Schwester sehe,
Die schaut von ihrem Fenster auf den Kleinen,
Und bin ich auch nur eine Schrumpelschlehe,
Der Kürbis soll um diese Ehre greinen.
(plötzlich ganz düster):
Allein ich kann den Siegfried nicht beschirmen,
Der König hat verboten Eskapaden,
Erst übers Jahr wird der Kaplan mich firmen,
Dann habe ich genug von diesem Laden.
Bis dahin aber bleibt mein Radius schändlich,
Den Adel würd im Kloster ich verlieren,
Denn Gunter sagte allerbest verständlich,
Ich störte ihn nur einmal beim Regieren.
Im Geiste Hagens heißt die nächste Runde,
Die Staatsräson sei unbedingt zu wahren,
Was dabei alles gehe vor die Hunde,
Darüber ist sich keiner recht im klaren.

KRIEMHILD: Ach, Giselher, mein Reiter auf der Mauer,
Von Hagens Politik sind wir die Sklaven,
Von ganzem Herzen ich es hier bedauer,
Daß wir uns so nicht schon viel früher trafen.
Wenn dich der König in ein Kloster steckte,
Mein Siegfried holte dich am nächsten Tage,
Für heute aber ist, was ich bezweckte,
Die letzte Rettung, darum sei die Klage,
Die Gunter gegen Widerstände richtet,
Getrost durch mich und Siegfrieds Kraft gebrochen,
Doch säumst du, ist der Retter uns vernichtet,
Und Hagen kann allein sein Süppchen kochen.

GISELHER: Doch Schwester sag, wie soll ich heute reiten,
Der Bruder hat die Ställe fest verriegelt,
Und sag ich was, verweist er auf die Zeiten,
Bis ihn der König heimgekehrt entigelt.

KRIEMHILD: Ja, allzufein ward dieses Garn gesponnen,
Ich suchte es nicht früher zu vernichten,
Mir bleibt zu warten, bis der Tag verronnen,
Und Volker wirds mit hohem Ton bedichten.
(Sie weint bitterlich.)