Willkommen

Lebenslauf

Aktuell

Werke

Publikationen

Audio

Leserstimmen

Besucherbuch

Impressum
 
vorige Szene nächste Szene

Aus »Siegfrieds Tod. Trauerspiel«.   Vers 58425 bis 58488

ZWEITER AUFZUG. SECHSTE SZENE


Gunter, Gerenot, Giselher, Hagen.

HAGEN: Wir wissen alle, was uns hergerufen.
Die Königin wird bald des Hungers sterben,
Was man ihr bringt, steht achtlos auf den Stufen
Des Turms, bis wir den Grund dafür verderben.

GERENOT: Ich seh nicht ein, daß um der Weiber Grillen,
Die besten Mannen werden hingeschlachtet,
Man lasse ihrem Geiste diesen Willen,
Denn der ist ohne Frage wahnumnachtet.

HAGEN: Es ist nicht Wahn, sie kam uns auf die Schliche,
Aus Ehrsucht hats die Schwester ausgeplaudert,
Ich prophezei euch Aufruhr, füchterliche
Thronkämpfe, die mir auszumalen schaudert.

GERENOT: Es gibt doch Fraun genug für Gunters Erbe.
Die Kirche wird sie eine Heidin schelten.

HAGEN: Der Frevel, daß die Königin uns sterbe,
Rührt an die Festen unsrer Herrschaftswelten.
Es nützt nichts, daß die Kirche sie verdamme,
Sie hegt das Heil, das Recht ist ihr entzogen,
Verfällts, erwacht der Wolf sogar im Lamme,
Und niemand weiß, was ganzbleibt in den Wogen.
(Große Geste, die anderen schweigen bedrückt.)

GISELHER: Doch Siegfried ist nicht schuld an dieser Fratze.

HAGEN: Er hat der Frau das Wissen übermittelt,
Bedenkend nicht, daß Weibes Wesen schwatze,
Drum sei die Schuld nun gegen ihn getitelt.
Er hafte für die Frucht der Schwärmereien,
Auch war sein Tarnhelm Erstgrund aller Stricke,
Wir müssen uns dem Rettungsplane weihen,
Daß man sein Haupt der Landesmutter schicke.

GUNTER: Dies ist nicht möglich, weil wir alle Eide
Ihm schworen, daß er brüderlich willkommen,
So bleibt uns nur, daß ich die Schande leide,
Denn dieser Eid wird nie uns abgenommen.

HAGEN: Schon als er aus dem Dickicht sich gesellte
Dem Hofe, wußt ich, daß er bald schon störte,
Drum kann ich wuchern heut mit dem Entgelte,
Daß ich nicht zu der trunknen Schar gehörte.
Ich habe mich beim Eide ausgenommen,
Weil ich in Treu und Glauben etwas reifer,
Nun ist die Hoffnung ganz auf mich gekommen,
Weil ihr gelähmt durch euren blinden Eifer.

GISELHER: Ich brauche keinen Eid, um dem Genossen
Nichts böses zuzumuten und zu lassen,
Und wer zu diesem Widersinn entschlossen,
Den werde ich aus tiefster Seele hassen.

HAGEN: Die Sache wird kein Kinderherz entscheiden,
Der König spricht, wenn nicht, tu ichs alleine,
Ich kann die Folgen übersehn und leiden,
Man werfe keinen Klotz vor meine Beine.

GERENOT: Nun Gunter sprich und lasse nicht befehlen
Dein Schweigen über uns und unsre Kinder,
Die Wahrheit mag dem Diener sich verhehlen,
Der König aber ist bestimmt zum Finder.

GUNTER: Ich meine der Konflikt betrifft Instanzen,
Die nicht Burgund und vielleicht überweltlich,
Drum bin ich nicht der Richter überm Ganzen,
Dies Recht ist nur von anderswo erhältlich.
Die Kontrahenten: Siegfried und auch Hagen
Sind zwar mit meinem Hofstaat hier verbunden,
Doch kann ich nicht von der Familie sagen,
Hier gründete ihr Wolln und ihre Wunden.
So mögen jene beiden sich bezwingen,
Ich nehm es, wie es kommt und werd nicht klagen.
Im tiefen Wald, bedacht von Adlerschwingen,
Wird sich zuletzt der Fragen Antwort sagen.