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Aus »Siegfrieds Tod. Trauerspiel«.   Vers 58299 bis 58424

ZWEITER AUFZUG. FÜNFTE SZENE


Es wird wieder hell. Man sieht Kriemhild mit Stickereien be­schäftigt. Brunhilde tritt wie zufällig herein.


Kriemhild, Brunhilde.

BRUNHILDE: Die Schwester, ach, stets fleißig und geduldig,
Der Herr Kaplan lobt sicher deine Tugend.

KRIEMHILD: Ich bin dem Herrgott nur zu danken schuldig,
Ich hatte eine unbeschwerte Jugend.
Auch kam das Glück von selbst im rechten Alter,
Ich trag nicht Arg, es könnte jemals enden,
Drum ist mein Lied bei Handarbeit der Psalter,
Und, was ich hab, will ich den Armen spenden.

BRUNHILDE: Gewöhnlich wählt aus königlichem Hause
Die Tochter Eh mit wem vom gleichen Adel,
Weshalb ich deine Wald-und-Wiesen-Flause
In Sorge um die Ehr des Hauses tadel.

KRIEMHILD: Was pönst du Siegfried? Hat er deine Würde
Je angegriffen oder bös mißachtet?
Dein Maß der Welt ist niemals dessen Hürde,
Der nach dem Beistand unsers Heilands trachtet.
(Für sich):
Ich bin gewarnt, und Ute ist erfahren,
Sie übertrieb nicht bei den Weiberränken,
Zwar bin ich unterlegen ihr an Jahren,
Jedoch die Falle kann ich mir wohl denken.

BRUNHILDE: Daß nicht ein Souverän dein neuer Gatte,
Verschmerzbar wär, wenn die Vasallentreue
Verdienste aufwies, die kaum einer hatte.
Jedoch dein Fall verspricht uns nichts als Reue.
Es war die pure Gnade Gunters, jenen
An seinem Hofe dienstlich aufzufangen,
Und eingedenk der Umständ, unter denen
Er ankam, ists ihm viel zu gut ergangen.

KRIEMHILD: Du haßt ihn. Seis drum! Müssen wir besprechen,
Was ihn in deinen Augen macht zum Knechte?
Scheint dir des Königs Großmut ein Verbrechen,
Bedenke, daß dies eines seiner Rechte.

BRUNHILDE: Des Königs Pflicht, der Staat, bereitet Sorgen,
Wenn Launen, die der Billigkeit, dem Brauche
Ein Hohn, sich breiten, daß vielleicht schon morgen
Der ganze Hof erstickt in dieser Jauche.

KRIEMHILD: Du pönst den König. Dies mir anzuhören
Hab ich nicht Lust noch schwesterliche Freude,
Such dir wen anders, um ihn zu betören,
Damit ich meine Stunden nicht vergeude.

BRUNHILDE: Du irrst. Dies zielt nicht auf des Königs Rechte,
Von finsterm Rat wird dieser Hof verdunkelt,
Du bist zu gut und siehst drum nicht das Schlechte,
Das schlangenäugig aus den Ritzen funkelt.

KRIEMHILD: Wen willst du einen schlechten Rater schelten?

BRUNHILDE: Die Männer nicht, die sind ja nur am Jagen,
Sie mögen nicht den Stachel der Intrige,
Sie führen aus und haben nichts zu sagen,
Doch Weibern liegt die Bosheit in der Wiege.

KRIEMHILD: Dies hörte ich schon mal zu meinem Kummer.

BRUNHILDE: Von wem, das brauche ich dich nicht zu fragen.
Du meinst, die Alte dämmerte im Schlummer.
Glaubs weiter! Sie kann allerhand vertragen.

KRIEMHILD: Beliebt es dir, die Mutter zu verhetzen?
Ich glaube dir kein Wort und führ die Nadel
Für Leute fort, die etwas Schönes schätzen
Und nicht begehrn verleumderischen Tadel.

BRUNHILDE: Sie sagte, du seist besser ausgerissen.
Ist dies nun Dichtung und erfundne Sage?
Mich wunderts nicht. Sie plagte das Gewissen,
Daß sie gefädelt, was da war im Hage.

KRIEMHILD: Was war im Hag? Was soll die Rätselkunde?
Muß ich zum Sticken andern Schemel suchen?
Nie noch vernahm ich aus dem Schlangenmunde
Solch Rumgedeut und hinterrücks Verfluchen.

BRUNHILDE: Die Gattenwahl der Schwester gab zu denken.
Drum forschte ich und merkte, wessen Buhle
Der Fremde ist, sich Schläferstund zu schenken,
Zog ihn die Alte in die Heimatkuhle.

KRIEMHILD: Was du beginnst, erstunken und erlogen,
Ist alles, und naiv ist es, zu glauben,
Mir könnten diese Rauch- und Nebelwogen
Ein Gran von meinem Gottvertrauen rauben.

BRUNHILDE: So frag dich selbst, wer ließ dich fort zum Haine,
Grad als der Fremde gar das Fleisch gebraten,
Und wer befahl den König zu dem Scheine,
Daß er erklärt, die Wahl sei wohlgeraten?
Wen plagte schließlich furchtbar das Gewissen,
Daß er zur Flucht riet wider alle Gründe?
Und wer ist hier so weibisch und gerissen,
Daß austauschbar der Anstand und die Sünde?

KRIEMHILD: Es ist nicht wahr und ein Gespinst von Mären,
Nur tief gekränkt kann ein Gemüt so denken.

BRUNHILDE: So bitt ich dich, mir schlüssig zu erklären,
Was Guntern zwang, dich Xanthen zu verschenken.

KRIEMHILD: Er schuldet Siegfried Dank für seine Siege,
Er hat das Land befreit von einem Wurme.

BRUNHILDE: Ein Wurm bewacht nicht Rinder, Schaf und Ziege.
Was war an Gold in seinem stolzen Turme?

KRIEMHILD: Kein Turm, die Grotte barg der Nibelungen
Verschollnen Schatz aus leuchtendem Geschmeide.

BRUNHILDE: Wo ist der jetzt? Was solcherart besungen,
Birgt diese Burg nicht, was ich gern beeide.

KRIEMHILD: Mein Siegfried ist des Schatzes froher Hüter.

BRUNHILDE: Dies also läßt ihn stolz das Haupt erheben:
Er stiehlt dem König aus dem Land die Güter,
Da wird die Schwester noch dazugegeben.
Du solltest dich zur Wahrheit mal bequemen,
Du attestierst dem König nur Versagen,
Wärs wahr, so frommte Siegfried nur das Nehmen,
Der König hätte alles zu ertragen.
Wie konnte mich der König herrlich schlagen
In Isenland im Wurf, im Lauf, am Ruder?
Gleichzeitig hat nur Siegfried was zu sagen,
Wie du erklärst, du grundverlognes Luder.
Der Wurm mag sein, der Schatz, gewiß darunter
Auch magisches Gerät, das unanständig.
Ich frage noch einmal: Was kriegte Gunter,
Daß er infolg davon so wetterwendig?

KRIEMHILD (bedrückt und leise):
Ein Schiff nach Norden, wo die Heiden wohnen.
Nun denk dir, was du willst, ich werde gehen,
Du wirst mir finster alle Worte lohnen,
Vom Scheitel spür ichs bis in alle Zehen. (Ab.)

BRUNHILDE (langsam und furchtbar akzentuiert):
Ich sehe klar. Der Hort der Nibelungen
Barg auch die Waffe, die das Aug verblendet,
Ein andrer hat den Jungfernstolz bezwungen,
Mein Leben für ein Tauschgeschäft gespendet.
Ein Narr, der pfiff auf das Gebot der Asen,
Der meint, das Gold sei gut für Hungerjahre!
Es stinkt im Land, wo man verlor die Nasen!
Zu Hel der Lästrer meiner Würde fahre!
Ich ahnt es lang, doch deutlich die Motive
Gewichtend ists der Schlüssel zu dem Schlosse,
Und gibt es nichts, was mich nach Hause riefe,
So zahle mir der falsche Kampfgenosse. (Ab.)