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Aus »Siegfrieds Tod. Trauerspiel«. Vers 58489 bis 58580 DRITTER AUFZUG. ERSTE SZENE Kriemhilds Kammer. Sehr bescheiden. An den Wänden eine riesige Linde und das Einhorn. Sie sitzt auf dem Bett und reibt sich die Augen. Siegfried kommt in strahlender Laune herein. Kriemhild, Siegfried. SIEGFRIED: Mein Schatz, ich nahe kurz, um gleich zu scheiden, Denn Waidmannsheil ruf ich mit meinem Kusse. KRIEMHILD (schluchzt): O Siegfried bleib und laß mich so nicht leiden, Die Tränen sind mir schon im breiten Flusse. SIEGFRIED: Hast du geträumt? Ich öffne mal den Laden. Mit frischer Lust kannst du den Alben scheuchen. KRIEMHILD: Schweißnaß ich bin vom Haupte zu den Waden, Komm näher, denn ich kann nur stoßweis keuchen. SIEGFRIED (setzt sich zu ihr, sie krallt sich fest): Was ist dir nur, sag, soll ich Ute fragen, Sie weiß gewiß ein Kraut, das dir zum Heile. KRIEMHILD: Nein Siegfried, ach, ich fürchte mich vor Hagen, Wir sollten fliehen, jetzt in aller Eile. SIEGFRIED: Hat Ute dich mit ihren Schreckvisionen Jetzt angesteckt? Du stehst im Fieberwahne. KRIEMHILD: Im Traume litt ich alle Höllenzonen, Drum stand ich auf und schaute nach der Sahne. Die war verdorben, was ein schlechtes Zeichen, Da trat ich auf den Hof, zum Mond zu schauen, Ich hatte die Vision von vielen Leichen, Auch meine Brüder warn zusammgehauen. Am Tor saß auf dem Pfeiler keck ein Rabe, Er krächzte, daß dein letzter Tag gekommen, Seit ich genippt vom Drachenblute habe, Hab ich die Vögel oft und klar vernommen. Du merktests selbst, als mir der Zirpzalp sagte, Daß du den Drachen totschlugst dort im Haine, Und so erfuhr ich manches Ungefragte, Denn friedlich ist die Welt allein im Scheine. Brunhilde weiß nichts, aber reimt sich alles, Die Männer meinen, daß Brunhilde wüßte, Sie hungert bis zur Kunde deines Falles, Drum Hagen meint, daß er dich fällen müßte. SIEGFRIED: Du weiß doch, ich bin hart verhornt und sicher, Da fällt es schwer, mich einfach totzuschlagen. KRIEMHILD: Die Wahrheit aber ist viel füchterlicher, Drum will ich sie dir ungeschmälert sagen. Ich hab in einer allzu schwachen Stunde Bei Hagen Schutz gesucht um deinetwillen, Ich brachte ihm vom Lindenblatte Kunde Und ließ so das Geheimnis nicht im stillen. Ich dachte, daß dein mächtigster Gefährte Dich schützen könnt in jeglichem Gefechte, Doch nun, da sich die Lage so verkehrte, Ists mir, als ob ich so zu Fall dich brächte. Drum flieh mit mir, wir haben unsre Liebe, Das andre wird der Himmel uns besorgen, Auch wenn mir außer dir kein Fetzen bliebe, Reit nicht allein in diesen grauen Morgen. SIEGFRIED: Wenn Hagen weiß von meiner weichen Stelle, So ists nicht schlimm, ein jeder soll es wissen, Es war nicht recht, daß ich mit fremdem Felle Hab solcherweis mich Menschenart entrissen. Vielleicht braucht diese Stelle meine Seele, Damit sie einst zu unserm Herrn gelange, Und wenn ich meine Sterblichkeit verhehle, Ists Lästerung und macht mir eher bange. Als Mensch und Christ bin ich nicht jedem Streiche Gewachsen, aber Hagen, mein Gefährte, Hat Kräfte, daß ich weit darüberreiche, Daß er die zweite Probe nicht begehrte. KRIEMHILD: Die Stärke überwindet Meucheltücke, Von hinten kann der Speer ins Mark sich bohren. Vertraue nicht dem unverbürgten Glücke, Denn wenn du fällst, so bin auch ich verloren! SIEGFRIED: Unchristlich ists, auf Monde, Träume, Raben Zu achten und das Schicksal so zu wenden, Wenn wir doch beide nichts verbrochen haben, Wird Gott uns heil durch die Gefahren senden. Brunhilde schmollt, das ist ein nordisch Leiden, Der Hunger wirds zum Besseren bekehren, Die Freunde sind gebannt mit festen Eiden, Bei Sünden zählt der Aberglaub zu schweren. KRIEMHILD: Doch, Liebster, wäre alles unbegründet, Was ich da fasle, fürchte oder fieber, Willst du, daß es in nackten Wahnsinn mündet? Sind dir die Jagd und die Gefährten lieber? Ich bitte dich, bevor ich niederfalle, Erinnre dich an die geschloßnen Bande, Laß alles ziehn und meid bei Hofe alle Und flieh mit mir sofort aus diesem Lande. (Sie läßt Siegfried los und starrt gebannt ins Leere.) SIEGFRIED: Du machst mirs schwer, allein ich muß dich lassen, Käm ich zu Tod an diesem schönen Tage, So wär die Welt dafür so sehr zu hassen, Daß ich sie ließ und ohne alle Klage. Wenn aber, was du sprichst, ein falsch Vermuten, So wirst du einst vermissen all die deinen, Dann wird der Vorwurf aus der Liebe bluten, Und was mir bleibt, das ist dein bittres Weinen. Die Mutter riet, daß ich dem Herzen glaube, Es sagt, der Morgen ruft den Waidmann heller Als ein Besinnen, daß ich mir erlaube, Bis ich vergreis in der Verzagtheit Keller. (Ab.) |