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Aus »Laudine. Minnespiel«.   Vers 56547 bis 56642

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Iwein, der Löwe, später ein Drache.

LÖWE: Ich bin der Tiere König steht geschrieben,
Das gilt für alle Tiere wohl im Brehme,
Und wär der Schöpfer stets dabei geblieben,
Wär meine Lag wohl eine angenehme,
Dort drängen aus den Tiefen des Verdrängten
Gestalten, die man hielt für ausgestorben,
Wie sie die Flügel ins Reale lenkten,
Erfährt man nicht, so viel sie auch verdorben.

IWEIN: Was drängst du her, als seist du eine Dame,
Die grad ein Ries zu speisen hat beschlossen,
Ich bin kein Schutz, ich bin nicht mal ein Name,
Ich bin der Wein, den man zu viel genossen,
Der fürder einzig Schmerzen bringt und Schwäche.
Vergessen nur und Schlaf taug ich als Mittel!
Glaub nicht, daß ich den Königsthron dir räche,
Noch gönn ich dir vom Schlafensplatz ein Drittel.

LÖWE: Du weißt nicht deinen Rang, da dir Frau Minne
Mit einem Tranke hat das Herz zerteilet,
Jedoch die Tiere haben feinre Sinne,
Sie riechen, daß in Bälde du geheilet.
So ich als König kann mich nicht mehr retten,
Hilft mir allein der Held im Tier-Habite
Zwar löst du nicht allein die eignen Ketten,
Doch jede andre leicht dein Schwert zerschnitte.

IWEIN: Die Furchtsamkeit gebiert dir Wahngestalten,
Ich habe keinen Rang, ich bin geschlagen,
Ich habe keine Früchte zu erhalten,
Und warum sollte ich noch etwas wagen?

LÖWE: Der Rabe sagts, der weiseste der Künder,
Ihm ist die Zukunft klar und unverschlossen,
Und auf dem Strom, da sprechen Nattermünder,
Daß Leu und Iwein werden einst Genossen,
Zum Mythenborne hat kein Tier den Riegel,
Dir fehlt Instinkt, dabei den Kelch zu finden,
Ich diene dir als Wappenschild und Siegel,
Wenn die Chimären aus der Zeit verschwinden.

IWEIN: Wohl möglich ists, daß wir zu zweien stärker,
Und daß im Tierreich Kraft mich zu ergänzen,
Zwar hörte ich von keinem der Berserker,
Daß ihms gefehlt an Mähn und Leuenschwänzen.
So sei gewagt ein neues Buchkapitel,
Nachdem das letzte sprach von Schlaf und Reue,
Denn weiß die Poesie ein neues Mittel,
Heißt dies dem Helden immer Ehr und Treue.
(Er erhebt sich und nimmt das Schwert und wird laut.)
Furchtbare Winde streifen durch die Buchen,
Die Grabesstarre dräut aus hohlen Eichen,
Ich glaub, ich brauch hier nicht recht lange suchen,
Die Mutter lehrte einst mich solche Zeichen.
So komm, du feige Mißgestalt, verdorbnes,
Gebräu der Hexe, zeig die Echsenzacke,
Zwar mag mein Schwert gewiß nichts Abgestorbnes,
Doch bleibt die Klinge rein in jeder Kacke.
Was säumst du, traf dich unterwegs ein Spiegel,
Daß du erschrakst vor deinen Scheußlichkeiten,
Ich hab hier Speere, daß du gleichst dem Igel,
Wenn dann die Geier zur Zerlegung schreiten.

DRACHE: Daß ich allein verkohlt den Kläffer sehe,
Bedaure ich, denn wenn ich bei dir lande,
Bist du verbrannt vom Scheitel bis zur Zehe,
Ein Häuflein, das sich abhebt kaum vom Sande.
Den Ring hat dir Lunete abgenommen,
Weil selbst dein eignes Volk dich nicht mehr achtet,
Aus reiner Großmut bin ich hergekommen,
Damit dich nicht der Wahnsinn nur umnachtet.
Ja, selbst der Zauberring würd dir nichts nützen,
Weil du als Schwätzer kannst das Maul nicht halten,
Aus solchen braue ich zuweilen Grützen,
Die nützlich sind dem Waschtrog meiner Alten.

IWEIN: Was soll der Singsang? Sind wir Advokaten
Die vor Gericht für Milderung plädieren,
Mein Schwert ist grad zu schad für dich, ein Spaten
Täts auch, dich für die Schnecken zu garnieren.
(Eine Feuersbrunst wogt über die Bühne. Als sie verebbt, sitzen Iwein und der Löwe auf je einem Baume. Eine zweite Feuersbrunst, dann völlige Dunkelheit. Am Rand der Bühne schlagen zwei Lanzen ein. Man hört zerbrechendes Holz, dann ein Geräusch, als würde ein riesiger Ballon entkorkt, dann strömt eine Flüssigkeit. Es wird wieder hell und man sieht lauter abgeknickte und verbrannte Bäume, in der Mitte liegt der tote Drache, daneben Iwein mit dem Schwert und der Löwe.)

IWEIN (wischt sich den Schweiß von der Stirn):
Es war haarscharf. Gut, daß ich ausgeschlafen.

LÖWE: Wie fandst du so genau den Herzensflecken?

IWEIN: Er trug ein Mal, das war des Schwertes Hafen,
Ich mußte es nur in die Grube stecken.

LÖWE: Wie wußtest du von diesem Herzenszeichen?
Wie fandest dus in diesen Finsternissen?

IWEIN: Es sagten mir die todgeweihten Eichen,
Daß mich wie ihn die Schlange hab gebissen,
Mein Muttermal, ein Halbmond auf den Rippen,
Nannt meine Mutter einst den Gruß der Natter,
Ich fänd es selbst auf unbehausten Klippen
Und weiß darunter tobt das Herzgeratter.
Da ich von Schlangenbissen sonst nichts wußte,
Hab ich die Eichensprüche so gedeutet,
Da wo sichs fühlt wie in der eignen Kruste,
Ists Ziel, daß ihm die Totenglocke läutet.

LÖWE: Der Rabe sagte wahr und war im Bilde,
Er meinte auch, dies kreischen schon die Möwen,
Du trägst mein Antlitz nun in deinem Schilde
Und nennst dich stets der Ritter mit dem Löwen.

IWEIN: Gib Ruhe nun, die Schlächterei war gräßlich,
Ich dank dir für Bewährung, Nam und Wappen,
Solche Stunde eint, wir bleiben uns verläßlich,
Und ich brauch niemals wieder einen Knappen.
(Beide legen sich schlafen.)