Willkommen

Lebenslauf

Aktuell

Werke

Publikationen

Audio

Leserstimmen

Besucherbuch

Impressum
 
vorige Szene nächste Szene

Aus »Laudine. Minnespiel«.   Vers 56435 bis 56546

ZWEITER AUFZUG. ERSTE SZENE


Ein Wald mit Eichen und Buchen, fest geschlossenen Kronen, sehr dunkel. Im Hintergrund Laute von wilden Tieren und ra­sender Galopp verfolgten Wildes. In der Mitte der Bühne Iwein, schlafend und nur mit einem Eberfell bekleidet. Der Dichter und Frau Minne treffen sich in der Mitte vor dem Schlafenden. Der Dichter trägt im Gegensatz zu allen mittelalterlichen Figu­ren Jeans und T-Shirt, Frau Minne trägt ein sehr buntes Kleid mit lauter Vogelmotiven.


Dichter, Frau Minne, Iwein schlafend.

DICHTER: Als Verseschmied, erst recht als Bühnenschreiber
Ist mir der Kummer eine feste Größe,
Mal zetern rings die aufgeklärten Weiber,
Ich zeigte Frauen als Geburtenschöße,
Und immer heißts, ich hätt nicht recht begriffen,
Welch großes Heil uns läg im Kaufmannsstande,
Dann wieder tönts: Nicht rauchen und nicht kiffen,
Und Alkohol sei stets die größte Schande,
Ich eß schon nur noch heimlich Schweinsgehacktes,
Mach auch die Suppe erst im Teller schärfer,
Als Religion such ich mir höchst Vertracktes,
Sonst heißt es Fundi und dann Bombenwerfer.
Das alles läßt mich nicht mehr sehr verzagen,
Weil jedes Spiel ins größre Spiel gebunden,
Wenn wir die Masken aufzusetzen wagen,
Begegnet uns, was sonst wir vorgefunden.
Doch ists ein eigen Ding, wenn man gebastelt
Den ersten Aufzug rund und ohne Lücke,
Und dann sich wild verzettelt und verhaspelt
In der Figuren eigenmächtger Tücke.
Da hat der Held, der klug und maßvoll waltet,
Den Sinn für Zeit verlernt in den Turnieren,
Und merkt nicht, wie ein Frauenherz erkaltet,
Und über Frist stehn Wochen schon zu vieren.
Da klagt Lunete vor der Artusrunde,
Und auch Laudine weigert ihm die Schwelle,
Und was geschieht: Mit weißem Schaum am Munde
Verwildert er und schläft im Eberfelle.
Da kann der Dichter nicht mehr komponieren,
Wenn Irrsinn heißt der Königsweg der Sühne,
Mit Rasenden und gar mit wilden Tieren
Gabs nie noch Glück auf einer deutschen Bühne.

FRAU MINNE: Daß die Figuren aus der Feder laufen,
Ist ein Geschick, das alt wie das Theater,
Kopien kann man in vielen Läden kaufen,
Doch ungewiß das Schicksal ist als Vater,
Was wir bedingen, steht in eignen Regeln,
Und zwischen Zeilen webt das Ungesprochne,
Nicht neun sind möglich einzig wie beim Kegeln,
Im eignen Safte schmort das Angebrochne.
Wenn wegen Schicklichkeit und Langerweile
Der Vorhang fällt, spinnt sich das Spiel im Dunkeln,
Wir meinen, daß das Aug die Gänze teile,
Und sehn doch manches unerwartet funkeln.
Du sagst dir, daß nach Schwur und Komplimenten
Kein weitres Hinschaun not, um zu begreifen,
Dies heißt, das Schicksal auf den Aszendenten
Zu reduziern und auf die Sinne pfeifen.
Wenn Liebende im Minnespiele fließen,
Die Ober- und die Unterwelt durchrauschen,
Dann mag es sein, daß sie die Brust verschließen,
Und vorher sie die Herzen sich vertauschen.

DICHTER: Du meinst, der Kerl, der mir zum Saboteure
Geworden, täts mit einem Weiberherzen?
Und ich, der dieses Indiskrete höre,
Solls fülln mit Ulk und ein paar Schwulenscherzen?
Es gilt als die Domän des Komödianten,
Zu spielen mit Geschlecht und Travestien,
Doch schaut man auch gern zu den wilden Tanten,
Wird jeder Ernst dabei nicht oft verziehen,
Frau Minne darf nicht tun bei Gaukeleien,
Der Julier Venus steht nicht in Bordellen,
Den Minnetempel darf kein Licht entweihen,
Drin Käufliche ihr Angebot erhellen.

FRAU MINNE: Die Rede setzt in irrige Verbindung,
Was weder tief in eins fällt noch im Scheine,
Es geht hier nicht um Rollenüberwindung
Und auch nicht drum, wer spreizen darf die Beine.
Der Herztausch ist ein mystisches Vernabeln,
Unkund der Menge und sogar dem Träger,
Daß sich in andrer Weis die Pfade gabeln
Für Schwert und Schild, für Wager und für Wäger,
Im Herz ist das Geschlecht ein andres Wesen,
Als im Gehirn und gar im Unterleibe,
Wer ihm vertraut, ist wahrhaft auserlesen,
Und findet bei Frau Minne seine Bleibe. (Ab.)

DICHTER (zum Publikum):
Was soll das? Hat hier jemand eine Ahnung,
Wie man am klügsten solchen Ratern fromme,
Wie Wotan fühl ich mich nach Erdas Mahnung,
Die nutzlos tönt, daß bald das Chaos komme.
Ich denk, ich laß dies aus bei meinen Rollen,
Ein Zufall wars, daß wir zusammentrafen,
Doch will ich mich jetzt von der Bühne trollen,
Denn dieser Krieger hat bald ausgeschlafen. (Ab.)

IWEIN (erwachend):
Mir träumte süß, ich sei ein stolzer Ritter
Am Hof des Artus, wo die Lanzenstecher,
Daß im Gewölb der Marmelstein erzitter,
Mit Taten würzen die gefüllten Becher,
Und eine Dame wär mir ganz gewogen,
Ein Wunderbronnen und ein Quell der Jugend,
Ich bin als großer Herr durchs Land gezogen,
Ehrgeizig nur nach Wohltat und nach Tugend.
Doch ich erwach, von der Kultur verlassen,
Im finstern Wald, im tierischen Gewande,
Ich walte fern der Höfe und der Gassen
Und meine Zukunft sagt mir nichts als Schande.
Wohl hab ich manches Mal mich aufgerappelt,
Focht manche Dame frei und schlug Tyrannen,
Ein Hamster bin ich, der im Käfig zappelt,
Ein Halm, der niemals Korn fühlt unter Grannen.
Was hilft es mir, daß manche, die ich schützte,
Die Eh mir bot und auch die Landeskrone?
Ich weiß wohl, daß ein Weib mir gar nichts nützte,
Weil ich in einem fremden Herzen wohne.
Seit mir der Leichtsinn hat Laudin entrissen,
Ist mir die Zukunft scharfer Rauch und schwärzlich,
Ich bin ein Knoten aus Gewissensbissen
Und werd verlegen, meint es jemand herzlich.
So flieh ich Menschenhäuser, Türme, Brücken,
Ich brauche keinen Schlachter, keinen Bäcker,
Ich bin im Wald und brauch mich nur zu bücken,
So find ich Eicheln oder Buchenecker.