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Aus »Laudine. Minnespiel«. Vers 56061 bis 56216 ERSTER AUFZUG. VIERTE SZENE Laudine, Iwein, später ein Rabe. LAUDINE: So Ritter, zeig dich deiner Herrin leiblich! IWEIN (tritt aus seiner Wolke und auf Laudine zu): Ich bin ja froh, wenn ich des Ringes ledig! Ihr seid so hold, so hehr, so unbeschreiblich, Ich faß es nicht, ich träum nicht, doch – ich seh dich! LAUDINE: Auch Morgentau ist lieblich anzuschauen, Die Taten seien Ritters höchste Zierde. Gleichwohl gefalln die hohe Stirn, die Brauen, Ich spräch, wär es denn statthaft, von Begierde. IWEIN: Wir brauchen nicht mehr Hof und Etikette, Da schlüssig sind Lunetes Argumente, So komm der Werbung zweiter Teil, der nette, Wo Wasser zischt im heißen Elemente. LAUDINE: Du bist ein Heißsporn, den die äußern Dinge Kaum hindern, ungezügelt loszuschlürfen, Dennoch, das Lied der hohen Minne singe, Daß wir uns auch vom Adel nennen dürfen. IWEIN: Ich brauche weder Fidel noch Schalmeien, Denn vogelgleich sind Stimme mir und Reime, Mein Lied und ihr – da sind wir schon zu dreien Und sehn als viertes uns im neuen Heime. Ich ging zu Artus’ Hof, weil seine Runde, Im Festland und auf allen Inselriffen Bekannt und höchstes Lob aus jedem Munde Verbuchen kann, die Jungfraun einbegriffen, Doch wenn ich ansah dort die reinsten Bäche, So trieb mich doch die Sehnsucht nach der Quelle. Wer stromauf will, der haßt die kleinste Schwäche Und hebt den Blick nur immerfort ins Helle, Dort war ein Bild der Weiblichkeit, den Engeln Beschämung, da sie dies nicht preisen dürfen, Und ich befand selbst Nachtigalln am Quengeln, Weil ich erpicht, allein das Bild zu schlürfen, Holdseligkeit, das Haar, das Laub des Leibes, Es rief mir zu: Du bist am Ziel des Mannes. Ich sagte meinem Minnelied: Beschreib es, Doch nur ein Gran vom hohen Glück gewann es. Wenn es versucht, die Reize aufzuzählen, Mit denen euch die Götter ausgestattet, Wärs schwer, die Reihenfolge auszuwählen, Und schwerer End, eh jedes Ohr ermattet. Für alle Welt setzt ihr die Sonnenseite, Hephaistos hätt Pandora eingemottet, Schlüg ihn der Glanz von eurer Oberweite, Die Hüfte, die der Schaumentstiegnen spottet, Wärt ihr dem Schöpfer, ehe Sonn und Himmel, Er hätte auf ein Weitertun verzichtet, Denn aller Reiche Vielfalt und Gewimmel Wird ganz von euerm Augenglanz vernichtet. Ihr seid die Anmut selbst und alle Musen Vereint die edle Formung eurer Glieder, Wie Strudel Schwimmer zieht der feste Busen, Ich ließ mein Leben gern an eurem Mieder, Euch dienen will ich stets auf jedem Posten, Die Hölle hat nicht Glut wie mein Verlangen, Und sollte es die Ritterehre kosten, Ich bin von euern Lippen ganz gefangen, Ich blute und ich werde selbst zur Quelle, Mag mich eur warmes Nahn nicht herrlich stillen, Ich knie und tus sofort und auf der Stelle, Erahn ich nur den Hauch von eurem Willen. LAUDINE: Das hast du lieb und herzelig geflochten, Ich mag es auch, wenn Männer übertreiben, Denn anders als bei allzukurzen Dochten Ists schmerzfrei, hier die Hälfte abzuschreiben. IWEIN: O nein, Geliebte, Göttin, Wundersame, Ich hab in keinem Punkte übertrieben, Ich merkte eher sehr zu meinem Grame, Daß ich von euch ein zwölftel nur beschrieben: Ich sagte nichts zu euren edlen Füßen, Auch nichts zu den verheißungsvollen Waden, Ich muß mit einem schlechten Liede büßen, Daß alles, was benannt, mir nur zum Schaden Gereicht, denn jede Schönheit wird zur Fratze Und jede Holdheit wird zur tumben Geste, Erwähnt man sie mit euch in einem Satze, Und jedes Wort vor eurem Glanz verweste. LAUDINE: So schlugst du Askalon nur meinetwegen Und nicht um Kalogrenants Schmach zu rächen? IWEIN: Der wilde Hirte schuf mir Heil und Segen, Denn alle Quellen gleichen trüben Bächen, Ist die Idee von euch in uns gedrungen. Mich grämte nicht der tölpelhafte Schwager, Der wie ein Schaf von eurem Reiz gesungen, Und fremd ward ich sogleich dem Artuslager. Der Waldschrat, der halb Genius und halb Widder, Ihm sind vertraut die Vögel und die Viecher, Und unentbehrlich bleibt er für den Ritter, Denn er hat immerfort den besten Riecher Für Vorwelt-Reste und für Vorwelt-Wunder, Aus Zeiten, da die Felsen gülden glommen, Drum ward mein Herz ein julidürrer Zunder, Ohn Umschweif vor eur holdes Aug zu kommen. Ich liebte euch, eh Askalon ich suchte Ich war durch ein Gerücht in höchsten Nöten, Und daß er meine Liebe wüst verfluchte, Gab mir das Recht, im Zweikampf ihn zu töten. Mag sein, ich schmerzte euch mit diesem Morde, Doch wär ein andrer schon sehr bald gekommen, Von allzuvielen heißts in Artus Horde, Daß Lanzen ihnen, doch nicht Frauen frommen. LAUDINE: So hat er sich so wacker nicht geschlagen? IWEIN: Ich möchte eure frühre Wahl nicht tadeln Und hätt es gern vermieden, euch zu sagen, Der Zweikampf konnt als Ritter mich nicht adeln, Er floh nach erstem Streich, ich folgt der Mähre, Ders blutig bloß am Bauche und am Schweife, Mein Blick ward unscharf wie von einer Zähre, Daß ich mich an solch armer Wehr vergreife. Vielleicht war seine Stunde da, mein Streiten Allein ein Urteil höherer Gewalten, Ich glaube gern, er hatte beßre Zeiten, Sonst hätte er dich keinen Tag gehalten. LAUDINE: Lunete hat das Aug mir aufgeschlagen, Daß wir in einem größren Spiel Figuren, Der Weltgeist läuft durch Herrlichkeit und Plagen, Nutzt Kaiser, Fürsten, Bettelmann und Huren, Den Sinn in diesem Muster zu durchschauen, Verlangt, sich gänzlich außer Spiel zu stellen, Und vor dem Weltgeist gehts euch wie den Frauen, Und jeder Strom hat Strudel, Sumpf und Schnellen. IWEIN: So wollt ihr mir vergeben, daß ich nahte? LAUDINE: Ich bin beglückt, daß du mir Schutz und Retter, Ich stand am Abgrund und auf schmalem Grate, Dabei noch blind nicht achtend Wind und Wetter. Du wolltest mich aus der Gefahr erlösen, Drum wähltest du den Artuskreis zum Wirte, Und da mein Wohl sich neigte jäh zum Bösen Betrat dein Gnadenfeld der wilde Hirte. IWEIN: Wir sind bestimmt, vor aller Zeit, einander, Die Vorwelt mischt sich ein in die Geschicke, Daß Wotan, dem man sagt, daß er hier wander, Die Götterminne noch einmal erblicke, Das gibt ihm Kraft, den Fenriswolf zu halten, Der nach der Sonne seine Zähne bleckte, Und der nach Brand und aschenem Erkalten Erfahren wird, daß ihm der Himmel schmeckte. LAUDINE: Wir werden uns so lieben, daß die Sänger Und auch die Nornen, die im Dunkeln walten, Dank unsrer Glut nicht eine Stunde länger Den Himmelsbrand für unausweichlich halten. Denn größer ist der Brand, den starke Männer Entfachen in den Herzen ihrer Frauen, Es beugt sich selbst der Fenriswolf dem Senner, Wenn aus den Augen Stern und Weltall schauen. RABE (auf den Zinnen, schimpfend): Weh, weh, der Hüter schwelgt im Minnetraume, Derweil ein Frevler naht dem weißen Steine. Wer hält den Lästerer in seinem Zaume? Ich sag, ein Heiltum schützt sich nicht alleine. (Ab.) IWEIN: Vorbei die Zeit der Traulichkeit, der Schwüre, Ich sorge, daß bekannt im ganzen Lande, Daß ich sehr gründlich meine Pflichten führte, Und wer dareingreift, findet nichts als Schande. (Ein gesatteltes Pferd erscheint, Iwein schwingt sich drauf.) Mein Lieb, ich eil, ich richt und kehre strahlend, Der Schelm kriegt keine Neider und Kopisten, Und neigt der Nachmittag sich rot verfahlend, Fühlst näher du denn je den jetzt Vermißten. (Ab.) |