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Aus »Laudine. Minnespiel«.   Vers 55959 bis 56060

ERSTER AUFZUG. DRITTE SZENE


Askalon, Laudine, Lunete, Ritter, Knappen, Burgfräulein, Iwein als Geist.

ASKALON (in jäher Euphorie):
Der Herr ist herrlich und in höchster Gnade,
Ich ließ die Furcht vor Tod und Höllenqualen,
Mir steht der Sinn nach einem heißen Bade,
Und Fackeln solln die Sonne überstrahlen!

LAUDINE: Mein Herr, durchströmt euch neues, frisches Leben?
Was darf ich euch als Morgengabe reichen?

ASKALON: Man möge mir viel heißes Wasser geben,
Denn sauber gibt man seinem Gott die Leichen.
Auch seien Blumen hier und Blätterkränze
Und alles, was da Quellen liebt und Wasser,
Denn wie der Schnee dahinschmilzt unterm Lenze,
Geh ich als Liebender und nicht als Hasser.
(Ritter kommen mit Laubkränzen und Blumen, die Knappen schleppen Eimer mit Wasser herbei, sie übergießen den Verwundeten, ein Burgfräulein stimmt Kyrie eleison an, ein unsichtbarer Chor fällt ein.)

LAUDINE: Es fehlte grade noch ein Weihrauchkessel.

LUNETE: Ja, ihr seid Heidin, und vor Christenbräuchen,
Mögt Schierling ihr und Waberloh und Nessel,
Doch immerhin, bei dicken Rotweinschläuchen
Trefft ihr euch mit den Mönchen und Kaplanen,
Der Herr hat uns die Feier anbefohlen,
Da nutze jeder ihm gemäße Fahnen,
Gern will ich euch ein größres Wasser holen.

LAUDINE: Laß besser die Zisterne jetzt in Frieden.
Ich mag nicht rasen schon am Vormittage.

ASKALON: Ich will es heller als die Hesperiden,
Schafft allen Schatten weg von meiner Trage,
Macht hoch die Tür und alle Tore offen,
Die Sperren seien alle aufgehoben,
Ich darf vom Himmel Allerhöchstes hoffen
Und will den Herrn mit allen Sinnen loben.

LUNETE (für sich):
Nun wird es ernst, denn Iwein kann entweichen.
Nun wird sich bald entscheiden, was geschrieben,
Bei Askalon vermehren sich die Zeichen,
Daß der Verstand beim toten Pferd geblieben.
(Knappen kurbeln das Gatter hoch und räumen das Pferd weg. Iwein läuft in einer dichten Nebelwolke. Der Chor ist beim Agnus Dei angelangt, als Askalon noch einmal verzückt zum Himmel schaut und dann rücklings fällt.)

LAUDINE: Er ist dahin, man schließe ihm die Lider!
Und jetzt ist Schluß mit Herrgott und mit Himmel!
Räumt Gras und Zweige, schließt das Gatter wieder!
Ich brauche Ruh und leide kein Gebimmel.
(Stille. Es wird eine Zeitlang schweigend aufgeräumt, mitunter betet jemand heimlich.)

KNAPPE: Herrgott, o weh! Allmächtger sei gewogen!

BURGFRÄULEIN: O schreck! es ist kein Zweifel, ja, er blutet!

ERSTER RITTER:
Wird hier das Aug, wird hier der Tod betrogen?

ZWEITER: Was wird uns heute alles zugemutet?

BURGFRÄULEIN: Wenn Wunden bluten aus dem toten Leibe,
So ists ein sichres Zeichen, daß zugegen
Der Mörder sei und sich die Hände reibe,
Weil ihm der Heimgang seines Feinds gelegen.

ERSTER RITTER:
Das Gatter ist längst zu und nichts zu sehen,
Vielleicht benutzt der Teufel Tarngewänder?

ZWEITER: Wir kriegen ihn, er soll uns nicht mehr gehen,
Der unsrer Burg und unsers Burgherrn Schänder!

LAUDINE: Was soll das Lanzenstechen hier ins Leere,
Räumt weg das Grünzeug, nicht etwa Gespenster!

ZWEITER RITTER:
Der Leichnam sagt, der Räuber seiner Ehre
Sei hier und suche jetzt ein offnes Fenster.

LUNETE: O Herrin, hört mich an, denn diese Sache
Ist eilig und muß rasch entschieden werden,
Tot und im Himmel ist die Brunnenwache,
Und weitergehen muß es hier auf Erden.
Die Artusritter sind auf Quellen gierig,
Dies klar zu sehn, brauchts keinen Überflieger,
Verteidigung und Schutz sind jetzt sehr schwierig,
Nur einer könnte dies, das ist – der Sieger.

LAUDINE: Du redest mir von seltsam dunklen Dingen,
Als sei mein Kopf nicht ohnehin am Platzen.

LUNETE: Dem schwarzen Walfisch wird nichts mehr gelingen,
Denn sieben Leben haben nur die Katzen.
Er war dir treu, drum soll man ihn in Ehren
Begraben und in reinem Leichentuche,
Dies darf dir den Gedanken nicht verwehren,
Daß du bedroht von einem schlimmen Fluche.

LAUDINE: Was ist zu tun? Was rätst du mir, Lunete?

LUNETE: Ein neuer Herr muß her und herrisch walten,
Uns hilft kein Jammer und auch nicht Gebete,
Sonst wird hier bald der letzte Herd erkalten.

IWEIN (plötzlich in Laudines Nähe unvorsichtig laut):
O je, das Weib ist lieblicher als alle,
Das Haar, die Augen, und die Hüften runder . . .

ERSTER RITTER:
Jetzt sitzt du, Mörder, endlich in der Falle.
Wir stechen zu.

IWEIN:       Es ist das reinste Wunder . . .
(Er springt zur Seite und der Stoß geht ins Leere.)

ZWEITER RITTER:
Er kann nicht weit sein, stoße in die Runde!

ERSTER: Jetzt gehts dir, Buhle, schrecklich an den Kragen!

LUNETE: Laudine, tut was, eh die erste Wunde
Verunziert euch die Lust der nächsten Tage!
Der Sieger, der geerbt die Brunnenbürde,
Ist unter uns und flieht vor Lanzenstichen,
Bejah die Lieb und teile Burg und Würde
Und fahr bei dem Gemetzel rasch dazwischen.

LAUDINE: Ja, Schluß mit dem Gestocher und Gescheppe,
Ab in den Saal, daß ich euch nicht mehr blicke,
Ihr Ritter, Knappen macht euch auf die Treppe,
Und auch das Fräulein in den Turm ich schicke.
(Alle außer Laudine und Lunete ab.)
Nun geh auch du, Lunete, schließ die Riegel,
Und dulde nicht, daß sie am Fenster gaffen,
Hol Wein und wirf was Gutes in den Tiegel,
Ich will die Sache gut zu Ende schaffen.

LUNETE: Ich wußte stets, daß euch die Weltendinge
Nicht blenden, eurem Range zu entsagen,
Manch einer steckt den Kopf in eine Schlinge,
Weils ihm zu schwer, ihn ganz allein zu tragen. (Ab.)