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Aus »Musendämmerung. Tragödie«.   Vers 54196 bis 54303

ERSTER AUFZUG. ZWEITE SZENE


Orest, Ajax, Teukros.

OREST: Da sind sie ja, gewaschen und gestriegelt!
Die beiden Helden mit den großen Namen,
Ich sagte gleich, der Turm gehört entriegelt,
Als diese Klänge mir zu Ohren kamen.

AJAX: An seinem Namen ist wohl keiner schuldig,
Gleichwohl mich freut der Sinn für die Geschichten,
Doch eurer Wünsche harrn wir ungeduldig,
Ihr wollt gewiß von Troja nicht berichten.

OREST: Von Troja sagt mir eine Episode:
Wißt Ajax ihr, wie starb der Namensvetter?
Und ist er euch ein Vorbild mit dem Tode?
Eur Bruder wär zwar nicht der Leichenbetter.

AJAX: Ich wüßte nicht, daß ich den Widder schlachte
So wie der Telamonier tat im Schlafe,
Tierquälerei ich allerhöchst verachte,
Und niemals noch mißhandelte ich Schafe.

OREST: Doch gleichwohl jagt ihr ohne ein Besinnen
In Raserei die Lämmer und die Kinder,
Muß man nicht Trunksucht als Verdacht gewinnen,
Erlebt man so der Unschuld dreiste Schinder?

AJAX: Von Unschuld sprecht ihr wider beßres Wissen,
Der Galiläer ward von Rom gerichtet,
Weil seine Lehre schelmisch und gerissen
Die Wurzeln von Kultur und Macht vernichtet.

OREST: Höchst ungenau gebt ihr die Sache wieder,
Der Prokurator war von Pharisäern
Getäuscht und war für derlei Sach zu bieder,
Drum frommte er den Bellern und den Krähern.
Doch nicht als Mystagog will ich bewähren
Mich hier, es geht nicht um Augustus Zeiten,
Viel Aufruhr seh ich in der Großstadt gären,
Die Ordnung von Kultur und Macht bestreiten.
Wer Opfer, Täter, ist nicht mehr zu trennen,
Wenn Schlächterei ist überall im Gange,
Drum will ich euch den Weg zur Rettung nennen:
Zerbrecht mit mir die mörderische Zange.

AJAX: Wir haben keinen Krieg vom Zaun gebrochen,
Die Christen sinds, die keinen Glauben dulden,
Der nicht der ihre, darum sei zerstochen
Die ganze Brut, die niemals zu entschulden.

OREST: Fanatisch seid ihr, guter Freund, nicht minder
Als jene, die ich gleichfalls streng verhöre,
Welch einem Glauben frönt der Ordnungsschinder
Ist mir egal, es zählt, daß er zerstöre.
Glaubt ihr, daß Jove euch beschirm und lohne
Die Schrecken, die euch aufzuzähln ich lasse,
Ists Hermes, der nach euerm Tod dem Sohne
Das Studium zahlt aus seiner eignen Kasse?

AJAX: Ja, tut der Galiläer uns dergleichen?
Stützt er die Wahrheit und verbietet Lügen?

OREST: Versucht nicht, meiner Frage auszuweichen,
Ich werd mich keinen Gegenfragen fügen.
Ich frage euch, ob Jupiters Gesinde
Verantwortet, was eurem Stolze schmeichelt,
Und was dabei verstreut in alle Winde
Zusammenträgt und voller Güte streichelt?
Die Torheit eurer lächerlichen Schlachten
Schafft Zulauf allerorts den Radikalen,
Die Narren, die nur bis zur Ecke dachten,
Mit Wucherzins zurück die Beute zahlen.

AJAX: Ich weiß nicht, was die alten Götter wollen,
Vielleicht sind sie uns ganz davongezogen,
Sie haben großen Grund, mit uns zu grollen,
Als Adler wär ich auch davongeflogen.

OREST: Drum wär es besser, ließet aus dem Spiele
Ihr Wolken, den Olymp und alle Himmel,
Denn das Gespräch verfehlt gewiß die Ziele,
Trübts Weihrauch oder bronzenes Gebimmel.
Ihr wißt, daß Konstantin den neuen Glauben
Dem Staat befahl, drum bin ich angewiesen,
Nicht Bacchus anzurufen bei den Trauben,
Dem Bischof sein Gemüt nicht zu vermiesen.
Das heißt nicht, daß ich dabei hab vergessen,
Nicht Romulus und auch nicht Alexander
Ist Theodosius, doch wir alle essen
Sein Brot und sollten froh sein miteinander.

TEUKROS: So sagt uns, was ihr fordert, unumwunden,
Denn was im Allgemeinen sehr verschieden,
Hat oft sich im Besonderen verbunden.
Was gilts für uns und was für die Christiden?

OREST: Zur Mäßigung ruft auf die Glaubensbrüder,
Man gieße nicht noch weitres Öl ins Feuer,
Denn jedes abgeschlagne Haupt der Hyder
Beschert uns ein komplettes Ungeheuer.

AJAX: Ihr kommt uns sprachlich wunderbar entgegen,
Doch kann ich das Gewünschte nicht versprechen,
Die Greul des Feindes schrein auf allen Wegen,
Ihr müßtest mir die Augen erst zerstechen.
Wirft jemand filigrane Kunstgeschöpfe,
Für die ein Hauer Aug und Lung zerstörte,
Aus blanker Dummheit in die Abfalltöpfe,
Kann ich nicht tun, als ob sich das gehörte.
Erst recht nicht kann ich andere verpflichten,
Da wegzuschaun, um Frieden zu erbitten,
Wenn Rom nicht wagt, den Frevlermut zu richten,
Wird bis zum Tode unversöhnt gestritten.

OREST: Ist dies eur letztes Wort in dieser Stube?
Ihr schlagt die Hand, die das Vertrauen reichte.
Auch Teukros ihr entschlossen seid zur Grube?
Ich bot euch die Vergebung ohne Beichte.

TEUKROS: Ihr gingt nicht ein auf meines Bruders Klage,
Unwidersprochen nistet sie im Raume,
Daß Aug und Ohr ich bar der Nutzung trage,
Das glaubt ihr ernstlich doch nicht mal im Traume.

OREST: Der Hauptmann hat gehört, was hier gesprochen,
So komm er her und führ euch fort zum Turme,
Doch die Verhandlung ward nur unterbrochen,
Nicht jedes Ziel erringt die Kraft im Sturme.
(Der Hauptmann erscheint, und die Wachen führen die Gefangenen schweigend ab.)