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Aus »Musendämmerung. Tragödie«.   Vers 55565 bis 55672

DRITTER AUFZUG. FÜNFTE SZENE


Man hört Geschrei und Aufruhr, dann Kampfeslärm.


Orest, Skotos, Sylvia, Scholastikos.

OREST: Nun aber gilts! Sie rüsten sich zum Sturme,
Die Schilde werden gut die Zinnen stützen,
Nur keine Panik vor dem großen Wurme,
Die Hauptarbeit gehört den Bogenschützen.

SCHOLASTIKOS: Ich stürze rein, ganz ohne Ordonnanzen,
Der Hauptmann ließ mich durch die Reihe schlüpfen,
Der Petros läßt auch hier die Puppen tanzen
Und keulenschwingend Kapriolen hüpfen.

OREST: Ich dacht mir fast, daß er ein großer Hetzer,
Gleichwohl den großen Aufruhr auszusinnen,
Reicht sein Gekläffe nicht zum Zeichensetzer,
Da sind gewiß noch andre Kräfte drinnen.

SCHOLASTIKOS: Wie dem auch sei, er führt die wüste Meute,
Und feuert an mit markigen Parolen,
Wie besser wärs bestellt um all die Leute,
Würd diesen einen bloß der Teufel holen.

OREST: Der Bischof wird gewißlich bald entscheiden,
Daß Ruhm hier nicht geschieht dem Christentume,
Hypathia ist gewiß nicht zu beneiden,
Doch sie sagt jeden Schrecken durch die Blume.
(Er hält mit Blick auf Scholastikos inne.)

SCHOLASTIKOS: Ihr werdet mich als herzlos wohl verachten,
Chronistenlos ist Absehn vom Gefühle,
Er darf sich nicht das Augenlicht umnachten
Und dulden, daß er sich den Bart zerwühle.
Was mir zu künden euch und der Geschichte
Ist Schrecken, der sich nicht erlöst in Tränen,
Ich laß die Vorred euch und ich berichte,
Daß ihr euch nicht verwundern sollt im Wähnen.
(Pause in äußerster Stille.)
Hypathia reiste vor der Morgenröte,
Als am Museion Nacht noch war und Stille,
Doch daß man sie gemein und grausam töte,
War wohl des Herren unbedingter Wille.
Ihr wurde aufgelauert und empfangen
Ward sie von Mördern, bestens unterrichtet,
Der Überfall ist wohl nach Plan gegangen,
Und war gewiß der Gründlichkeit verpflichtet.
(Pause, dann tonlos):
Sie schleppten aus der Kutsche die Verblüffte
Und stießen sie mit Keulen und mit Stangen,
Sie rissen die Gewänder von der Hüfte,
Und nackend ist sie durch die Stadt gegangen.
Zur Kirche, die Kaisarion wird geheißen,
Trieb man die so Entehrte grad wie Schweine,
Dort fing man an, die Haut ihr abzureißen
Und schlug ihr Fleischerhaken in die Beine.
Sodann zerriß man ihre festen Brüste
Und als sie kaum noch atmete, da sangen
Sie ein Tedeum noch zum Preis der Rüste,
Und lobten, daß das Heidentum vergangen.
Als sie sich regte, wie um sich zu ducken,
Warf man mit Steinen und erst spät zum Kopfe,
Dann ging ein jeder, auf die Leich zu spucken,
Die zerrte man ins Feuer dann am Schopfe.

OREST (nach langem Schweigen):
So also ging sie, der die Dichter singen
Einst werden, daß sie huldigten auf Knien,
Das Haus der Jungfrau möge sie verdingen,
Das höherer Erhebung nie gediehen.
Denn jene, der wir zeitgenössisch lauschten
War ein Gestirn des Wissen und des Geistes,
Und wenn wir auch nur wenig Worte tauschten,
So waren wir begnadet, einmal heißt es.

SKOTOS: Dies ist gewiß das Ende. Aller Schrecken,
Den wir erlebt in Brand und Metzeleien,
Erscheint mir nun ein ganz geringer Stecken
Vor diesem Eichenbaum der Schweinereien.
Ist menschenmöglich solche Haß-Verblendung?
Kann einer Christ sein, ist mit solchem Schmutze
Geschändet diese Lehre? Ists Verschwendung,
Daß man den Geist in solcher Welt benutze?

OREST: Denk Sylvia! Flieh, denn ihr müßt beide leben
In Wüstenein den Baum der Hoffnung pflanzen,
Euch gab der Herr die Liebe und sie eben
Ist Rettung und der Sinnbestand des ganzen.
Der Hauptmann führt euch zu geheimem Gange,
Da kommt ihr leicht und ohne Müh zum Hafen,
Ein Kennwort macht, ihr wartet dort nicht lange,
Ihr werdet auf den Meereswogen schlafen.
Kein Wort des Abschieds, denk, allein die Liebe
Hat unser Herr als Rettung uns befohlen,
Darum zur Seite ich den Vorhang schiebe,
Ich will nichts hören als die flinken Sohlen.
Und tilg die Bilder dir auch im Gedanken,
Du bist wie Noah künftigem berufen,
Drum lasse dich auch kein Gedächtnis wanken,
Denn alles was geschehn sind Tempelstufen.
(Skotos und Sylvia ab.)
Nun ist die Stunde da, die dunkle, bittre,
Der Hauptmann wähnte sie verfrüht doch richtig.
Die Würfel sind gefallen, also zittre
Nicht vor der Welt und nehme dich nicht wichtig.
Ich ruf die Schützen ab und laß die Sperren,
Weit öffnen und es bleibt nichts zu verhandeln.
Ob sie uns auch in das Kaisarion zerren?
Das spart zu sehn, wie sie dies Haus verschandeln.
(Im Hintergrund lautes Murren der Wachen.)
Ihr wollt noch trotzen? Wollt noch Pfeile schießen?
Wofür? Es gibt nichts, was zu schützen lohnte.
Ihr meint, die Frau sollt uns nicht so verdrießen?
Doch mit ihr fiel, worauf die Ordnung thronte.
Ist so der Geist der Würde und der Sitte
Beraubt, solls Schwefel doch vom Himmel regnen,
Dann trete doch der Herr in unsre Mitte,
Zu richten und die Seinigen zu segnen.
Was soll ich hier bewahren mit dem Schwerte?
Ein morsches Haus, gefüllt mit altem Plunder?
Wenn dies zu halten, unser Herr begehrte,
So offenbarte ers mit einem Wunder.
Jedoch sein Wunder warn der Schüler zweie,
Wer ihre Liebe sah, der hat erfahren,
Daß größer nichts, daß es der Herr verleihe,
Drum danket Gott, daß sie im Hause waren.