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Aus »Musendämmerung. Tragödie«. Vers 55321 bis 55412 DRITTER AUFZUG. DRITTE SZENE Orest, Schreiber. OREST: Man mache Licht und bringe einen Schreiber! SCHREIBER: Ich steh bereit zu eurem Briefdiktate. Sagt mir die Schrift! Für Krieger oder Weiber? Sagts gleich, daß ich nicht Pergament verbrate. OREST: Ich spreche zu Kyrill, dem Kirchenmanne. Ach nein, ich sprech auf kurzem Weg zum Kaiser, Er mag entscheiden, ob er mich verbanne Oder zum Frieden lenkt die höchsten Weiser. (Pause.) So schreibt: zur Fastenzeit im Jahr vierhundert Und fünfzehn bittet der Präfekt den Hirten Um Weisung, weil das Treiben rings ihn wundert Und ausschaun läßt als einen ganz Verwirrten. Nein, dies ist ganz und gar nicht recht geworden, Der Kaiser ist kein Rater für den Wunden, Er schickt uns Truppen oder einen Orden, Jedoch die Weisheit hat er nicht erfunden. Geht fort, zum Schreiben ist mir nicht zumute, Ich stehe vor den Trümmern der Karriere, Ich wate bald im Unrat und im Blute, Und hab dies zu verschulden noch die Ehre. (Der Schreiber geht ab. Es wird ringsum dunkel, die Ampeln erlöschen während des Monologes nach und nach, so daß die Szene immer gespenstischer wird.) Den Musentempel hab ich nicht geschlossen, So sagts der Bischof mit erhobnem Finger, Die Prediger und ihre Spießgenossen Sehn folglich lauter weitre krumme Dinger. Nun mag zwar stimmen, daß aus einer Sünde Unzählge sprießen, weigert sie die Reue, Doch worin hier der Sündenfall bestünde, Frag ich mich früh und abends stets aufs neue. Daß sie die Tochter sei der Mnemosyne, Ist der Verehrung und Kultur entbehrlich, Hesiod braucht fürs System die Himmelsbühne, Jedoch sie selbst sind menschentreu und ehrlich. Die Klio, der Scholastikos ein Jünger, Ist ganz gewiß dem Heiland keine Götze, Das Wahren des Vergangnen stellt den Dünger Und auch Apostel brauchen Marmorklötze. Die Melpomene, in Tragödien sprechend, Gestaltet Schrecken, drin uns lechzt nach Gnade, Die unverdient aus Wolkenhimmeln brechend Uns wählen läßt die tugendreichen Pfade. Die Terpsichore mag als Leichtsinn gelten Dem Grübler, der die Augen sich vermauert, Doch Christus spricht von tänzerischen Welten, Darin der Frohsinn unaufhörlich dauert. Thalia, deren Krummstab unsre Hirten Sich abgeschaut, bezeugt das Gottvertrauen Und sagt: der Herr wird jeden Gast bewirten, Denn grün und fruchtbar sind die Himmelsauen. Euterpe, die im Flötenspiel uns heitert, Verleumder sagen Kupplerin des Buhlen, Doch wenn sie uns das enge Herz erweitert, Besteht nicht Anlaß, sich im Schmutz zu suhlen. Erato weckt die Sehnsucht mit der Leier – Ist unser Glaube nicht ein einzig Sehnen? Und ist nicht auch das Abendmahl die Feier, Daß adlerhoch sich Horizonte dehnen? Urania deutet die Planetenweiser – Warn nicht die Magier früh schon an der Krippe? Der Stern von Bethlehem bezwang den Kaiser, Und leuchtete, daß nun der Aeon kippe. (Es wird langsam heller, der Tag bricht an.) Und Polyhymnia, die im Orgeltone Erst christlich fand zu ihrem Attribute – Wer sagt wie sie, daß uns der Glaube lohne Und daß der Herr der Grund für alles Gute? Zuletzt noch Kalliope, schönste Stimme – Macht nicht die Sprache uns zum Ebenbilde Des Schöpfers, daß nicht Geist auf Wassern schwimme, Und birgt sie nicht des Menschensohnes Milde? Die Künste mögen auch Gefahren tragen, Doch im Verbund mit Demut und mit Danken, Sind sie dem Glauben Flügelroß und Wagen Und schirmen wider Wehleid oder Wanken. Wir singen und wir widerstehn dem Feinde, Mit Glocken, mit Posaunen und mit Schellen Macht sich das Christenvolk erst zur Gemeinde, Und selbst die Engel stehn auf Klangeswellen. Und daß die Heiden der Musik verfielen? Bedeutets nicht, daß Gott auch ihnen pflanzte Die Sehnsucht nach den unbekannten Zielen, In der das Volk um Baum und Säule tanzte? Ich hab den Musentempel nicht geschlossen, Denn mögen auch die Namen heidnisch lauten, Was aus dem Spiel der Formen ist entsprossen, Gleicht dem Gedicht, das wir im Herrn erschauten. Und wer mich pönt, daß ich dies Loben liebe, Tuts nicht beim Vater und auch nicht beim Sohne, Der folgt statt Christus dem, der Peitschenhiebe Ihm gab und ihn geschmäht mit Dornenkrone. Drum will ich ganz gefaßt der Dinge harren, Ich steh für Frieden und den frohen Glauben, Sie können mich im Gassenschmutz verscharren, Doch niemals meine Zuversicht mir rauben. |