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Aus »Musendämmerung. Tragödie«.   Vers 55213 bis 55320

DRITTER AUFZUG. ZWEITE SZENE


Orest, Scholastikos, Petros, Hauptmann.

HAUPTMANN: Besuch, mein Herr, es ist der erste Leser
Der christlichen Gemeinde, der euch bittet,
Zur Rüste mahnte Paulus die Epheser,
Nicht rätlich wärs, wenn ihr dagegen strittet.

OREST: Er trete ein, wir faßten die Beschlüsse
Grad eben und sind frei für neue Klagen,
Denn daß es eine Klage werden müsse,
Entbehrlich scheint, bei diesem Gast zu fragen.

PETROS: Ihr habt bereits Besuch in euerm Hause,
Dann werd ichs später noch einmal versuchen,
Auch leid ich nicht, daß ihr ganz ohne Pause
Müßt richten, überwältigt sein und fluchen.

OREST: Es ist ein Mann der Kirche, zum Chronisten
Ward er bestallt und schreibt von unsern Taten,
Damit in spätern Zeiten mal die Christen
Beurteiln, ob sie recht und fromm geraten.

PETROS: So ist mir recht, daß er das Wort vernehme,
Das zu berichten ich euch hab vom Rate,
Es heiße nicht, daß wir in dunkler Feme
Den Weltkreis unterschieden vom Quadrate.

OREST: Ich schätze immer Rat von frommen Leuten,
Daß Christi Botschaft sich erfüll mit Leben,
Und daß die Frömmsten Licht und Klarheit scheuten –
Ich würde auf solch böses Wort nichts geben.

PETROS: Ja, klar und fromm bericht ich von Bedenken,
Es heißt, der Heidentempel ungeschliffen,
Hätt wieder Lust, den Lauf der Zeit zu lenken,
Und hätt die Duldung als Fanal begriffen.
Auch gibts Gerüchte, ihr als unser Hirte
Wärt nicht nur läßlich sondern unentschieden,
Wer eure Stellung freundlicher bewirte,
Dies läßt das Öl in manchem Hause sieden.

OREST: Dem Philosoph, der Kegel und Ellipsen
Berechnet und die Bahnen der Planeten,
Steht ferner nichts, als Götzen aufzugipsen
Und dann zu tun, als hülf das dem Erflehten.
Die Wissenschaft steht auf dem festen Grunde
Der Kirchenväter, der Apostelschriften,
Und bös sind die Gerüchte in der Runde,
Daß Glaub und Wissen auseinanderdriften.
Es fehlt der Grund, die Forschenden zu meiden,
Wenngleich es meine Pflichten kaum erlauben,
Mich am Genuß der Wissenschaft zu weiden,
Ich müßte Zeit dem Dringlicheren rauben.

PETROS: Wir haben nicht Probleme mit den Kegeln,
Mit Zahlen, Linien und mit Scherenschnitten,
Doch manch Gesicht, bekannt von vielen Freveln,
Wird im Museion ehrenhaft gelitten.
Ich werde gern konkreter: Ajax, Heide,
Korinther, der Gemeinde dort Verächter,
Läuft stolz als wärs in einem Feierkleide
Und nennt sich gern den unerschrocknen Fechter.

OREST: Ich hatt ihn in Gewahrsam und geloben
Ließ ich ihn Beßrung allzeit im Betragen,
Und zeigt ers nicht, er hat sich überhoben,
Und wird gewiß kein böses Ding mehr wagen.

PETROS: Zur Taufe kam er nicht und um Verzeihen
Hat er die bös Geschmähten nicht gebeten,
Drum scheints, als sänn er unverzagt im Freien
Die Christenschaft genüßlich zu zertreten.

OREST: Kyrill hat uns mit klarem Wort befohlen,
Zur Taufe werde niemand hier gezwungen,
Was sonst ihr bringt an ausgebrannten Kohlen,
Ist dem Vermuten künstlich abgerungen.

PETROS: Bedenken sind so leicht nicht zu zerstreuen,
Wenn ihr die Sorgen nehmt als Dunst und Nebel,
Wenn wir uns eures Schutzes nicht erfreuen,
So suchen wir nach einem andern Hebel.

OREST: Ich schütze euch, wenn ich erhalt den Frieden,
Dies fordert Maß im Zweifel, im Vertrauen,
Drum sorgt, daß Öl nicht anbrennt, will es sieden,
Und fahret dort, die Kirche aufzubauen.
(Ein großer Stein wird durchs Fenster geschleudert und zertrümmert einen hölzernen Schemel.)
Die Wache! Riegelt Tore ab und Läden!
Ein Aufstand! Bogenschützen an die Mauer,
Ich weiß zwar nicht, wer tückisch spinnt die Fäden,
Doch zeigt sich Rom als der Dazwischenhauer!

HAUPTMANN: Befehle wurden ausgeführt, doch keiner
Der Feindesrotte läßt sich grade blicken,
Doch eh sich hier erhebt ein zweiter Steiner,
Wird ihn ein Pfeil ins Höllenfeuer schicken.

OREST: Ihr seht, wir sind gerüstet und entschlossen,
Wer Krieg will, wird am Galgen es bereuen,
Zwar wurde mir ein leerer Stuhl zerschossen,
Jedoch den Täter wirds nicht lange freuen.

PETROS: Ich seh hier weder Schutz noch gute Rüste,
Mir galt der Anschlag, und der Herr alleine
Sagt mir, daß ich euch gar nichts danken müßte,
Er lenkte zu dem anderen Stuhl die Beine.
Selbst wenn ihr fern dem Mordsgezücht der Heiden,
So gabt ihr zum Verdacht Verrates Gründe,
Drum rat ich euch, um Ärgres nicht zu leiden:
Bereut und büßt den Zweifel und die Sünde!

HAUPTMANN: Obgleich der Mob gewaltig aufgeladen,
Die Botin kam gesund durch alle Gassen,
Allein der Wagen nahm geringen Schaden,
Erst morgen früh kann er die Stadt verlassen.

PETROS: Was hör ich? Boten? Was gibts zu berichten?

OREST: Der Bischof hat verlangt, daß man ihm sage,
Was hier geschehn für seltsame Geschichten,
Drum sandt ich den Bericht, daß man nicht klage.

PETROS: Der Stein, die Botin, finstere Intrigen,
Ich hab genug von Lästerung und Lüge,
Nicht hier im Haus soll meine Leiche liegen,
Ein jeder seinen eignen Acker pflüge. (Ab.)

SCHOLASTIKOS: Ich hab gelauscht und wende mich zum Gehen,
Die Stadt ist voll vom Stoff für den Chronisten,
Ich nutz den Dämmer, um das Volk zu sehen,
Die Hoffnungen, die Zweifel und die Listen.