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Aus »Musendämmerung. Tragödie«.   Vers 54741 bis 54820

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Aison, Skotos, Edom.

EDOM: Man disputiert, wie neid ich doch die Jungen,
Für die die Welt das blanke Abenteuer,
Nicht Kleinmut und Bescheidung wird gesungen,
Als Element herrscht unbedingt das Feuer.

SKOTOS: Wir streiten, obs den Reiz der Frauen mehre,
Wenn sie sich bilden und recht männlich geben,
Mein Widerpart meint stolz, daß ers begehre,
Mir gilts doch wider Fruchtbarkeit und Leben.

EDOM: Die Philosophen neigen zu dem Schlusse,
Daß Ihre Weisheit gelt in jedem Neste.
Was einem Glück, dem andern zum Verdrusse
Gereicht, drum sei die Vielfalt uns das beste.

AISON: Doch jede Vielfalt muß aus Einheit stammen,
Sonst irrt sie wie im Hades Seelenschatten,
Wenn alle Feuer nicht aus einem flammen,
Kann keinem sich der rechte Glanz verstatten.

EDOM: Du sagst vom Einen und dann vom Homere.
Sag, wie verträgst du die Mixtur im Kopfe?
Vielgötterei und ungeteilte Ehre?
Sag mir den Lehm, daß ich die Lücke stopfe.

AISON: Das Eine ist der Logos ohne Schranke,
Das andre sind Gestalten, ihm zu dienen,
Unfaßlich ist, was ich dem Geiste danke,
Sein Antlitz ist ein Himmelreich von Mienen.
Der Mensch schafft sich geschichtlich seine Räume,
Den Aeon schafft die Tatkraft der Heroen,
Doch drüber weben das Gestad der Träume
Die Waltenden im Goldenen, im Hohen.
Sie blendet nicht der Sterblichkeit Gesetze,
Sie müssen um die Jugend niemals bangen,
Und dennoch ist wie wir in einem Netze
Auch Höchstes, das uns offenbar, gefangen.
Der Logos, der erschafft, was ihn begründet,
Vereint, was schrecklich uns umgibt und wohlig,
Ihn meint, was sich beginnt und was da mündet,
Drum steht die Welt zum Geiste parabolisch.

EDOM: Wenn ich den Vortrag also recht begreife,
Ist dein Prinzip des Einen aller Regung
Entbunden, und das Urgesetz der Reife
Erscheint dir ohne Mitleid als Bewegung?

AISON: Jawohl, wenn Christen Mitleid, Gnade, Güte
Ins Schöpferische projiziern, so machen
Sie aus dem ganzen Baum nur eine Blüte,
Solches Verkleinern frommt allein dem Schwachen.
Denn wo ein Gut ist, ists nicht weit zum Neide,
Das Böse ist nicht krüppelhaftes Gutes,
Nicht kleiner ist für sein Gesind die Weide,
Sowohl das Kleid der Feigheit wie des Mutes
Ist ihm so frei wie Frommen und Gerechten.
Drum ists dem Guten allezeit gewachsen.
Wenn wir das Gute in das Höchste dächten,
So rechneten das Böse wir zum Laxen.

EDOM: Der Blick auf Gut und Böse ist im Auge
Höchst unvollkommen, voll von Hindernissen,
Zu welchem Wohle die Zerstörung tauge,
Kann jeder, der befangen ist, nicht wissen.
Drum soll man nicht gebannt aufs Böse starren
Und lieber sich am Herrlichen erfreuen,
Das Richteramt macht manchen Kopf zum Narren,
Doch nie bezwingt die Höllenglut den Treuen.

SKOTOS: Dies seh ich auch, das Redliche und Rechte
Sagt sich von selbst und sagt sich ungezwungen,
Daran erkennt der gute Geist das Schlechte,
Es ist vom Wahne der Mission durchdrungen.

EDOM: Dem steht entgegen, daß wem als Gewisses
Erscheint, was er im Glauben hat errungen,
Es duldet nicht, ihm grad das Herz zerriß es,
Ist anderswem der Irrtum aufgezwungen.
Drum bete ich, daß unser Herr erhelle
Die Häupter, die von seinem Heil nichts wissen,
Und möchte an vertaner Bitten Stelle
Die Rosen seiner Gnade nicht vermissen.

AISON: Dies sei euch frei, obgleich ich frech vermute,
Solch ein Bemühen hält das All für Grillen,
Was euch beseelt und brodelt euch im Blute,
Wirkt niemals einen Deut an Gottes Willen.
Drum rat ich sich zu fügen ins Gesetzte,
Wer weise ist, der will die Welt nicht ändern,
Gar mancher Mut, den ich ansonsten schätzte,
Verlor sich ganz im Nebel an den Rändern.